Magnus Jonson 02 - Wut
Lagerhäuser, zahllose leere Paletten und jede Menge Gabelstapler.
Und über allem wachte der Felsturm namens Kirkjufell. In Island fiel es einem schwer zu glauben, dass solche Naturphänomene Zufallserscheinungen der Geologie sein sollten. Isländische Berge besaßen eine Persönlichkeit und einen Willen. Die Kirche aus Fels überragte das weiße Gebäude mit dem kleinen Kreuz, so als würde es den Einwohnern nicht nur Schutz bieten, sondern auch psychische Kraft verleihen.
Páll führte Magnus zu einem Fischerboot, das am Kai festgemacht war, die Bolli . »Hallo, Siggi!«, rief er. »Darf ich an Bord kommen?«
Zwei Männer in dicken Pullis schoben den Kopf aus dem Steuerhaus. Einer war ein dicker Mittvierziger mit Glatze, der andere schlank und Anfang dreißig.
Mit Sicherheit Björn.
Páll begrüßte den Älteren und fragte, ob sie mit Björn sprechen könnten. Björn kam nach draußen und gesellte sich zu ihnen am Kai. »Ein neues Navigationssystem«, erklärte er. »Ich helfe Siggi gerade, es zu installieren, aber es stürzt immer wieder ab. Heutzutage muss man sich genauso gut mit Computern auskennen wie mit Motoren, um das Boot am Laufen zu halten.«
Sie setzten sich auf ein Mäuerchen unweit des Schiffs. Neugierig spähte der Kapitän aus dem Steuerhaus nach draußen. Zwei Möwen landeten einige Meter weiter, hofften auf Krumen.
»So, um was geht’s denn?«
»Wir möchten dir ein paar Fragen über Gabríel Örn Bergsson und Harpa Einarsdóttir stellen.«
»Harpa hat mir schon erzählt, dass ihr bei ihr wart«, sagte Björn.
»Ach, hast du sie in letzter Zeit gesehen?«
»Ja, vor ein paar Tagen war ich in Reykjavík. Sie war anschließend ganz schön fertig.«
»Unter diesen Umständen ist das nicht zu vermeiden«, sagte Magnus. »Seid ihr beiden ein Paar?«
»Kann man so sagen. Ich besuche sie, wann immer ich kann. Manchmal kommt sie auch hierher. Ich mag sie. Sehr.«
»Harpa hat nicht erwähnt, dass sie eine Beziehung mit dir hat.«
Björn zuckte mit den Schultern. »Es ist kein Geheimnis. Wie gesagt, sie war fertig. Wahrscheinlich habt ihr nicht danach gefragt.«
»Stimmt, haben wir nicht«, gab Magnus zu. Trotzdem hatte er den Eindruck, dass Harpa es hatte verbergen wollen. »Kanntet ihr euch schon vor dem Abend, als Gabríel Örn starb?«
»Nein. Wir lernten uns am Nachmittag auf der Demo kennen. Ich war extra von Grundarfjörður hingefahren. Vor Weihnachten war ich auch bei einer der Samstagsdemos gewesen und fand irgendwie, es wäre wichtig, dabei zu sein. Ich wollte gehört werden. Ich wollte, dass die Regierung zurücktritt.«
»Erzähl mal von dem Abend!«
Björns Schilderung deckte sich ziemlich genau mit der von Harpa. Bei einigen Details war er unsicher, wies jedoch einleuchtend darauf hin, dass die ganze Angelegenheit schon neun Monate zurücklag. Magnus ging mit ihm die Ereignisse vorwärts und rückwärts durch und versuchte, ihn zum Stolpern zu bringen.
Nichts.
Er wechselte das Thema. »Hat Harpa dir von Óskar Gunnarsson erzählt?«
»Ja«, sagte Björn. »Sie meinte, ihr glaubt, dass sie irgendwas mit dem Mord an ihm zu tun hätte.«
»Wir haben nur Fragen gestellt.«
»Ihr solltet drauf achten, wie ihr sie stellt«, sagte Björn. »Harpa ist über Gabríel Örns Selbstmord nie so ganz hinweggekommen. Nach dem, was sie mir über ihn erzählt hat, war der Typ ein Arschloch, und das macht es auf gewisse Weise nur noch schlimmer für sie. Sie hat Schuldgefühle, weil sie mit ihm zusammen war. Es geht ihr dreckig. Eure Fragen waren da keine Hilfe.«
»Meinst du, dass es noch mehr Dinge gibt, die ihr Schuldgefühle bereiten?«
»Nein«, sagte Björn ruhig.
»Kanntest du Óskar?«
»Nein.«
»Hat Harpa dir irgendwas über ihre Beziehung zu ihm erzählt?«
»Nein. Ich meine, sie hatten ja auch keine.«
Magnus holte ein Foto von Óskar hervor. »Weißt du, wer das ist?«
»Das wird er sein, oder? Ich habe sein Bild in der Zeitung gesehen.«
»Stimmt. Und, erinnert er dich an irgendwen?«
Björn betrachtete die Aufnahme genauer. »Sieht vielleicht ein bisschen wie Hugh Grant aus. Mit dunklerem Haar.«
»Nein, ich meine jemanden, den du persönlich kennst.«
Björn schüttelte den Kopf.
»Markús.«
Erstaunt sah Björn Magnus an. »Was? Harpas Markús?« Er betrachtete das Bild noch gründlicher. »Das ist ja lächerlich.«
»Nein, ist es nicht. Wusstest du es nicht?«
»Was soll das heißen, ob ich es nicht wusste? Was soll ich wissen? Was willst du damit
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