Magyria 01 - Das Herz des Schattens
wenn sie nichts tut. Hoffen wir nur, dass Mónika gut genug lügen kann, damit Réka keinen Verdacht schöpft und ihr entwischt.«
»Dann auf zu Mária«, sagte Hanna, während sie schon loslief. »Wir müssen vor ihnen da sein. Komm. Wir haben nur wenig Zeit.«
SECHSUNDDREISSIG
BUDAPEST, UNGARN
Der Porsche Cayenne passte nicht zu den kleinen, verbeulten Blechkisten, die hier in den grauen Straßen parkten, wo sich an beiden Seiten Mietskasernen und kleinere Hochhäuser erhoben. Mónika stieg sofort aus, und schon an ihrem Gesicht war abzulesen, wie aufgebracht sie war.
»Was ist hier eigentlich los!« Sie schrie fast, sobald sie Mattim und Hanna um die Hausecke kommen sah, wo sie auf die Szigethys gewartet hatten. »Réka sagt, es stimmt überhaupt nicht! Wofür habe ich das Kind jetzt aus dem Unterricht geholt? Kann mir das vielleicht jemand mal verraten?«
Réka sah klein und blass aus und hatte ihr allertrotzigstes Gesicht aufgesetzt.
»Seit du hier bist, gehen merkwürdige Dinge vor sich!«, schnauzte Mónika Hanna an. »Es wird wirklich Zeit, dass du gehst. Dann kehrt hoffentlich bald wieder Ruhe ein!«
»Was machen wir hier?«, fragte Réka. »Ich will zurück zur Schule! Mann, ist das peinlich, und ausgerechnet heute an meinem Geburtstag!«
»Hanna hat damit nichts zu tun«, sagte Mattim. »Mein Bruder hat tatsächlich vor, Ihre Tochter zu entführen. Wenn wir sie nur lang genug von ihm fernhalten können, bis ich ihm das ausgeredet habe, ist die ganze Aufregung vorbei, und alle können wieder nach Hause.«
»Seit wann bist du denn Kununs Bruder?« Réka musterte Mattim mit gerunzelter Stirn. »Du spinnst doch. Du siehst ihm überhaupt nicht ähnlich. Das ist völliger Blödsinn.«
»Würden Sie das Mädchen aus der Stadt bringen?«,
schlug Hanna an Mónika gewandt vor. Sie versuchte, die gleiche Ruhe auszustrahlen wie Mattim. »Irgendwohin aufs Land?«
»Ich will nicht aufs Land!«, zeterte Réka. »Ihr habt sie doch nicht alle!«
Verwirrt blickte Mónika von einem zum anderen und versuchte anscheinend abzuschätzen, wie ernst sie die ganze Angelegenheit nehmen sollte. Sie stand da in ihrem dünnen Kostüm - nicht einmal einen Mantel hatte sie mitgenommen - und fror.
»Dein Freund«, sagte sie schließlich zu Réka, »den hast du uns nie vorgestellt. Vielleicht solltest du das einmal nachholen.«
»Können wir jetzt wieder fahren?« Réka wippte nervös von einem Fuß auf den anderen.
»Ein Tag«, sagte Mattim. »Nur ein Tag, Frau Szigethy. Wenn Sie Ihre Tochter jetzt in die Schule zurückbringen, wird er sie spätestens in der Pause holen. Der Unterricht hat sowieso schon angefangen. Geben Sie mir einen Tag, bis ich mit meinem Bruder geredet habe.«
Mónika seufzte. »Aber ihr fahrt nirgends mit ihr hin. Heute ist schließlich die Geburtstagsparty. Und Ferenc und ich sind heute Abend nicht da. Du musst dich darum kümmern, Hanna.«
»Wir gehen hoch zu Mária«, schlug Hanna vor. »Sie ist da, ich hab vorhin schon bei ihr geklingelt.«
»Nein! Mama, bitte lass mich nicht hier. Ich will nicht zu Mária! Wir wollten nicht durchbrennen, wirklich nicht!«
Ihre Mutter hob hilflos die Hände. »Ich muss zurück ins Institut. Aber gleich morgen will ich eine Erklärung. Für alles. Und zwar von allen. Außerdem will ich deinen Freund sehen, und er soll mir ins Gesicht sagen, was er vorhatte. Er soll mir dabei in die Augen blicken - ich hoffe, er kann es. So, und jetzt …« Sie war schon halb wieder zurück beim Auto.
»Mama!«, rief Réka gequält. »Und meine Party?«
»Pass auf sie auf, Hanna!«, befahl Mónika. Dann schlug die Wagentür zu, vierhundertfünfzig PS erwachten dröhnend zum Leben, und der eine oder andere Bewohner oben in den Wohnblocks spähte neugierig aus dem Fenster.
»Lasst uns lieber hochgehen.« Sie fürchtete, Réka könnte sich einfach umdrehen und davonrennen, aber das Mädchen blieb bei ihnen. Ihr missmutiges Gesicht verriet, dass dieser Geburtstag zu den allerblödesten in ihrem Leben gehörte, aber ihre Stimme klang auch ein wenig neugierig, als sie fragte: »Kunun will mit mir durchbrennen? Echt?«
»Ich erkläre es dir, sobald wir oben sind. Komm.«
Mária wohnte im dritten Stock. Sie öffnete ihnen kopfschüttelnd und zur Abwechslung einmal nicht wütend, sondern eher ratlos. »Bitte schön. Ich freu mich immer über Besuch.« Ihr vages Lächeln verschwand jedoch sofort, als Réka von Mattim wissen wollte, wie er dazu komme, zu behaupten, er sei Kununs
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