Magyria 01 - Das Herz des Schattens
Szigethy-Blut für die Stadt. Kunun wird ihr Blut benutzen, um die Schatten auszurüsten. Und er wird sie umbringen, damit es besser wirkt. Mattim, verstehst du? Dein Bruder weiß, dass der Donua mächtiger ist als die Donau. Er wird auf Nummer sicher gehen und sie töten!« Es gab keinen Zeitpunkt, zu dem sie eine Wahl getroffen hätte, zu dem sie sich gesagt hatte: Rékas Leben ist mir wichtiger als meins. Denn es gab keinen einzigen Moment, in dem sie auch nur erwogen hatte, es nicht wenigstens zu versuchen, ihren Schützling zu retten.
Freundschaft, ein Band, das nie gegen die Kraft des gemeinsamen Blutes bestehen kann … Was war Réka für sie? Ihre Freundin? Oder ihre kleine Schwester? Atschorek irrte sich. Liebe fragte nicht nach Verwandtschaft.
Mattim schaute sie an, und obwohl sie ihm nicht gesagt hatte, was Kunun tun würde, wenn Réka gerettet wurde, war die Intensität seines Blicks nahezu unerträglich.
»Er wird dich nicht bekommen«, versprach er leise. »Weder dich noch sie.«
»Dann wird er dich töten«, flüsterte sie. »Du hättest mich nicht losbinden dürfen.«
Einen Augenblick lang schwiegen sie beide. Aber die Eile brannte in ihr, und sie drängte zur Tür. Mattim hielt sie am Arm fest. »Warte. Sie beobachten die Straße, so viel ist sicher. Wir müssen einen anderen Ausweg suchen, damit sie nicht wissen, wo wir sind. Hier, dein Telefon. Ruf Réka an. Stell fest, ob sie noch frei ist.«
»Wenn dein Bruder eine halbe Stunde Vorsprung hat, werden wir sie nie und nimmer vor ihm erreichen. Dann ist er längst da. Man braucht von hier vielleicht zwanzig Minuten zur Schule. Allerdings wollte er noch einen Krug auftreiben.« Mit bebenden Fingern wählte Hanna die Nummer. »Geh ran, bitte, geh ran …« Sie unterdrückte ein Schluchzen, als sie Rékas Stimme an ihrem Ohr hörte.
»Ja, was ist denn?«
»Réka! Réka, wo bist du?«
»Auf dem Schulhof, der Unterricht fängt gleich an. Hanna, ist etwas passiert? Du klingst so komisch. Und Mama hat gesagt, du wirst zurück nach Deutschland gehen. Sie hat heute Morgen die ganze Zeit mit uns geschimpft, sie war völlig daneben. Obwohl es mein Geburtstag ist! Und …«
»Réka«, unterbrach Hanna, »hör mir zu, du musst …«
»Du, ich mach jetzt Schluss. Bis später!«
Hanna starrte Mattim an.
»Wir werden nicht rechtzeitig dort sein. Wir werden es nicht …«
»Beruhige dich.« Er fasste sie bei den Schultern, bis sie ruhig dastand und ihn ansah. Sein Gesicht, so ernst. Alles andere als jungenhaft. Es war, als würde er die beiden Fackeln immer noch in den Händen halten, ein zorniger Racheengel.
»Versprich mir, dass alles gut wird«, flüsterte sie. »Versprich es mir.«
»Mein Bruder wird Réka nicht bekommen«, sagte Mattim. »Gib nicht auf, Hanna. Noch ist er nicht da. Sie ist in der Schule. Denk nach. Kennst du jemanden, der in der Nähe der Schule wohnt?«
»Außer Atschorek? Nein, aber - Mónika! Die Musikschule ist auch im zwölften Bezirk. Sie könnte in zehn Minuten an der Schule sein. Beten wir, dass Kunun immer noch nach einem Krug sucht.« Hastig rief sie die Nummer an und wartete, dass ihre Gastmutter sich meldete.
»Mónika, hier ist Hanna. Du musst unbedingt Réka von der Schule abholen, sofort, sie ist in Gefahr, sie soll …«
Sanft nahm Mattim ihr das Telefon aus der Hand.
»Frau Szigethy, mein Bruder wird heute mit Réka durchbrennen«, sagte er. Seine Stimme klang ruhig und gefasst und sehr erwachsen. »Wenn Sie Ihre Tochter bitte sofort aus dem Unterricht abholen könnten. Sie werden sie vielleicht
sonst nie wiedersehen. Ja, unter einem Vorwand, die Lehrerin muss ja nicht unbedingt … Ja, Frau Szigethy, es ist ernst, glauben Sie mir. Bringen Sie Réka - nein, nicht nach Hause, das ist gar keine gute Idee, dort wird er als Nächstes hinkommen. Fahren Sie mit ihr …« Er suchte Hannas Blick.
»Zu Mária«, sagte sie. Das Erste, was ihr einfiel.
»Zu Mária«, wiederholte Mattim, »Sie wissen doch sicher, wo sie wohnt? Wir treffen uns dann dort. Ja, bis gleich. Und bitte - erwähnen Sie Réka gegenüber nicht, dass Sie ihren Plan kennen, bleiben Sie ganz ruhig, sagen Sie am besten gar nichts. Ja, die Geschichte von dem Notfall, ja, das ist eine gute Idee.«
»Ich wusste gar nicht, dass du so gut lügen kannst«, sagte Hanna.
Merkwürdig, wie sehr das kleine Lächeln, das um seine Mundwinkel zuckte, sie an Kunun erinnerte.
»Daran war nichts gelogen«, sagte er. »Kunun wird der Frau die Tochter stehlen,
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