Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simenon
Vom Netzwerk:
Büro.
    »Monsieur Brown? Ich werde mich erkundigen, ob er zu sprechen ist. Würden Sie mir bitte Ihren Namen sagen?«
    Mehrere Telefonanrufe. Ein Boy lief hin und her. Es dauerte gute fünf Minuten, bis Maigret abgeholt und durch endlose Gänge zu einer Tür mit der Nummer 37 geführt wurde. Hinter der Tür hörte man eine Schreibmaschine klappern. Eine Stimme sagte ungehalten:
    »Herein.«
    Maigret stand vor Browns Sohn, demjenigen der drei Brüder, der die Wollgeschäfte in Europa abwickelte.

    Kein bestimmtes Alter. Vielleicht dreißig, vielleicht auch vierzig. Ein großer hagerer Bursche mit bereits zerfurchten Zügen, glattrasiert, in einem ausgezeichnet sitzenden Anzug und einer Perle in der schwarzen Krawatte mit weißen Streifen.
    Keine Spur von Unordnung, von Unvorhersehbarem. Kein Haar auf seinem Kopf lag in der falschen Richtung, und kein Muskel bewegte sich an ihm, als er seinen Besucher eintreten sah.
    »Einen Augenblick noch, wenn Sie erlauben. Nehmen Sie doch bitte Platz.«
    Eine Stenotypistin saß an dem Louis- XV -Tisch, und ein Sekretär sprach englisch ins Telefon.
    Brown diktierte ein englisches Telegramm zu Ende, in dem es um Schadenersatzansprüche wegen eines Hafenarbeiterstreiks ging.
    Der Sekretär rief:
    »Monsieur Brown!«
    Und reichte ihm den Telefonhörer.
    »Hallo … Hallo … Yes.«
    Er hörte lange zu, ohne mit einem Wort zu unterbrechen, dann schnitt er kurzerhand das Gespräch ab und sagte, während er den Hörer auflegte:
    »No!«
    Er drückte auf einen Klingelknopf und fragte Maigret:
    »Einen Port?«
    »Danke, nein.«
    Als der Oberkellner erschien, bestellte er aber trotzdem:
    »Einen Port!«
    Er tat das alles ohne Hast, aber mit so ernster Miene, als hingen von der kleinsten Bewegung, die er machte, vom leisesten Zucken in seinem Gesicht die Geschicke der Welt ab.
    »Tippen Sie im Schlafzimmer weiter«, befahl er der Schreibkraft und deutete auf den Nebenraum.
    Und zu seinem Sekretär sagte er:
    »Verlangen Sie den Untersuchungsrichter.«
    Schließlich setzte er sich nieder und schlug mit einem Seufzer die Beine übereinander:
    »Ich bin müde. Sie sind es also, der die Ermittlung leitet?«
    Er schob Maigret das Glas Portwein hin, das der Boy gebracht hatte.
    »Eine lächerliche Geschichte, nicht wahr?«
    »So lächerlich ist sie nun auch wieder nicht«, brummte Maigret mit der grimmigsten Miene, die ihm zur Verfügung stand.
    »Ich wollte sagen, ärgerlich.«
    »Allerdings. Es ist immer ärgerlich, einen Messerstich in den Rücken zu bekommen und daran zu sterben.«
    Der junge Mann stand nervös auf, öffnete die Tür zum Nebenzimmer, tat, als würde er auf Englisch Anweisungen geben, kam zu Maigret zurück und reichte ihm ein Zigarettenetui.
    »Danke! Ich rauche nur Pfeife.«
    Brown nahm eine Dose mit englischem Tabak von einem Tischchen.
    »Ich rauche nur ganz gewöhnlichen«, sagte Maigret und zog sein Päckchen aus der Tasche.
    Brown ging mit langen Schritten durchs Zimmer.
    »Sie wissen sicher bereits, daß mein Vater ein ziemlich … skandalöses Leben geführt hat?«
    »Nun, er hatte eine Geliebte …«
    »Und da waren noch andere Dinge. Noch eine Menge anderer Dinge! Sie müssen alles wissen, sonst machen Sie vielleicht – wie sagen Sie dazu? – einen ›Schnitzer‹ …«
    Das Telefon unterbrach ihn. Der Sekretär lief herbei. Diesmal antwortete er in deutscher Sprache. Brown machte verneinende Gesten. Es dauerte lange, Brown wurde ungeduldig, und als der Sekretär immer noch zu keinem Ende kam, ging er hin, nahm ihm den Hörer aus der Hand und legte auf.
    »Mein Vater ist vor vielen Jahren nach Frankreich gegangen. Ohne meine Mutter. Er hat uns beinahe ruiniert.«
    Brown hielt es nicht auf seinem Stuhl. Während er redete, hatte er hinter dem Sekretär die Tür zugemacht, und nun zeigte er auf das Glas Portwein.
    »Sie trinken nichts?«
    »Danke.«
    Er zuckte unwillig die Achseln.
    »Wir haben daraufhin einen gesetzlichen Vormund ernannt. Meine Mutter war sehr unglücklich. Sie hat sehr viel gearbeitet …«
    »Ach, es war Ihre Mutter, die das Unternehmen wieder in Gang gebracht hat?«
    »Mit meinem Onkel, ja.«
    »Dem Bruder Ihrer Mutter natürlich.«
    »Yes! Mein Vater hat … unwürdig gelebt, ja, unwürdig. Es ist besser, wenn nicht zuviel über den Fall geredet wird. Sie verstehen?«
    Maigret hatte den jungen Mann die ganze Zeit über nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen, und das schien diesen aus der Fassung zu bringen. Vor allem der träge Blick des

Weitere Kostenlose Bücher