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Maigret - 43 - Hier irrt Maigret

Maigret - 43 - Hier irrt Maigret

Titel: Maigret - 43 - Hier irrt Maigret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Zimmer in der Rue Riquet oder in irgendeinem anderen Zimmer im Barbès-Viertel tagelang auf ihrem Bett lag und las oder die trüben Fensterscheiben anstarrte. Dann wieder sah er sie in einer der Kneipen des 18. Arrondissements stundenlang dasitzen, während Pierrot mit drei Kameraden Karten spielte. Er sah sie auch, wie sie in einer Bar tanzte, mit ernstem und dabei verzücktem Gesicht. Und dann wieder stand sie an einer Straßenecke im Halbdunkel, nach Männern Ausschau haltend, wobei sie sich nicht einmal die Mühe gab, ihnen zuzulächeln. Dann stieg sie vor ihnen die Treppe eines Hauses hinauf, nachdem sie der Vermieterin ihren Namen zugerufen hatte.
    Sie hatte also über ein Jahr in diesem imposanten Gebäude in der Avenue Carnot gewohnt, in einem Appartement, das für sie zu groß und zu kalt gewesen sein mußte. Und hier konnte er sie sich nur schwer oder überhaupt nicht vorstellen: in dieser Wohnung, neben einem Mann wie Etienne Gouin.
    Am Quai des Orfèvres waren nur wenige Fenster erleuchtet. Er stieg langsam die Treppe hinauf, auf der die Schuhsohlen nasse Spuren hinterließen, und stieß die Tür zu seinem Büro auf. Janvier erwartete ihn. Um diese Jahreszeit war der Gegensatz zwischen der Kälte draußen und der Wärme in den Häusern am schärfsten. Die Räume kamen einem überheizt vor, und das Blut stieg einem sofort in den Kopf.
    »Nichts Neues?«
    Die Polizeimaschine war für Pierre Eyraud in Gang gesetzt worden. Auf den Bahnhöfen wurden die Reisenden, deren Äußeres mit der Personenbeschreibung Pierrots übereinzustimmen schien, von den Inspektoren untersucht. Dasselbe geschah auf den Flughäfen. Im 18. Arrondissement kämmte die Sittenpolizei wahrscheinlich die Hotels und Pensionen durch.
    In der Rue Riquet stand der junge Lapointe seit dem frühen Nachmittag auf dem Posten, vor dem Hôtel du Var, um das jetzt, nach Einbruch der Dunkelheit, die Mädchen herumstrichen.
    Inspektor Janin, der in diesem Viertel zu Hause war, stellte seinerseits Nachforschungen ganz persönlicher Art an …
    In dem steinernen Dschungel da unten, im Nordosten von Paris, kann ein Mann für Monate verschwinden, und viele Verbrechen werden erst nach Wochen entdeckt. Tausende von Männern und Frauen leben hier außerhalb der Gesetze, in einer Welt, die ihnen so viele Schlupfwinkel bietet, wie sie nur wollen. Von Zeit zu Zeit wirft die Polizei eines ihrer Netze aus und fängt gelegentlich einen, den sie sucht. Im allgemeinen aber rechnet sie eher mit dem Anruf eines eifersüchtigen Mädchens oder eines Spitzels.
    »Vor einer Stunde hat Gastinne-Renette angerufen.« Das war der Waffenexperte.
    »Was hat er gesagt?«
    »Morgen früh erhalten Sie seinen schriftlichen Bericht. Die Kugel, mit der Louise Filon getötet wurde, stammt aus einer Selbstladepistole, Kaliber 6,35.«
    Also das, was man bei der Kriminalpolizei eine Amateurwaffe nennt. Diejenigen Verbrecher, die wirklich auf Mord aus sind, verwenden verläßlichere Waffen.
    »Doktor Paul hat ebenfalls angerufen. Er bittet Sie, sich mit ihm in Verbindung zu setzen.«
    Janvier sah auf die Uhr. Es war etwas nach Viertel acht.
    »Er muß jetzt im La Pérouse sein; er hat dort den Vorsitz bei einem Bankett.«
    Maigret rief das Restaurant an. Einige Augenblicke später hatte er den Gerichtsarzt am Apparat.
    »Ich habe die Autopsie an dem Mädchen vorgenommen, das Sie mir geschickt haben. Irre ich mich, wenn ich glaube, sie schon einmal gesehen zu haben?«
    »Sie ist ein paarmal verhaftet worden.«
    Es war sicher nicht das durch den Schuß entstellte Gesicht, das der Arzt wiedererkannt hatte, sondern ihr Körper.
    »Der Schuß wurde natürlich aus nächster Nähe abgefeuert. Man braucht kein Experte zu sein, um das festzustellen. Ich schätze die Entfernung auf fünfundzwanzig, höchstens dreißig Zentimeter.«
    »Ich nehme an, sie war auf der Stelle tot?«
    »Augenblicklich. Ihr Magen enthielt noch unverdaute Speisereste, darunter Languste.«
    Maigret erinnerte sich, im Abfalleimer in der Küche eine leere Konservenbüchse gesehen zu haben.
    »Zum Essen hat sie Weißwein getrunken. Interessiert Sie das?«
    Maigret wußte es noch nicht. Im gegenwärtigen Stadium der Untersuchung war es unmöglich zu entscheiden, was wichtig war und was nicht.
    »Ich habe noch etwas entdeckt, das Sie vielleicht überraschen wird. Wissen Sie, daß das Mädchen schwanger war?«
    Es überraschte ihn allerdings, und zwar so, daß es ihm für einen Augenblick die Stimme verschlug.
    »Wie lange

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