Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher
und dass die Presse sie nicht in einen Topf wirft … Jetzt denke ich …«
Er überlegte, wog Vor- und Nachteile ab.
»Vielleicht ist es sogar besser so. Wenn es Aufsehen gibt, dann bestehen Chancen, dass …«
»Glauben Sie, dass einer von den vieren …«
»Ich wage keine Behauptung … Der Matrose soll ein Klappmesser in der Tasche gehabt haben, das die Tatwaffe in der Rue Popincourt gewesen sein könnte. Der Mann trägt auch einen hellen Regenmantel mit Gürtel und einen braunen Hut … Wahrscheinlich werde ich ihn heute Abend versuchsweise den Pagliatis gegenüberstellen, in derselben Straße, bei gleicher Beleuchtung, aber als stichhaltigen Beweis taugt das nicht … Auch mit der alten Dame vom ersten Stock wird es eine Gegenüberstellung geben.«
»Worauf setzen Sie Ihre Hoffnung?«
»Ich weiß nicht … Die Einbrüche sind Sache der Rue des Saussaies. Mich interessieren einzig die sieben Messerstiche, die einen jungen Mann das Leben gekostet haben.«
Als er aus dem Büro des Untersuchungsrichters kam, waren die Journalisten verschwunden. Im Gang der Kriminalpolizei fand er sie freilich wieder vollzählig versammelt. Womöglich waren sogar noch welche dazugestoßen. Die vier Tatverdächtigen waren nicht zu sehen, denn sie saßen unter Bewachung bereits in einem Büro.
»Herr Kommissar, was geht hier vor?«
»Überhaupt nichts Besonderes …«
»Haben Sie den Fall Jouy-en-Josas übernommen?«
»Sie wissen sehr wohl, dass ich dafür nicht zuständig in.«
»Warum sind die vier Männer dann hier und nicht wieder in der Rue des Saussaies?«
»Gut, ich will es Ihnen sagen …«
Er hatte plötzlich einen Entschluss gefasst. Der Rechtsanwalt hatte ihnen gegenüber sicherlich von einem Zusammenhang zwischen den beiden Fällen gesprochen. Um zu verhindern, dass mehr oder weniger halbrichtige und voreingenommene Informationen an die Öffentlichkeit kamen, war es das Beste, die Wahrheit zu sagen.
»Meine Herren, Antoine Batille hatte ein Hobby: Er machte Tonbandaufnahmen von, wie er es nannte, menschlichen Zeugnissen. Mit umgehängtem Kassettenrecorder ging er auf öffentliche Plätze, in Bistros, Bars, Dancings, Restaurants, sogar in die Metro, und machte dort unbemerkt Aufnahmen.
Am Dienstagabend gegen halb zehn saß er in einem Café an der Place de la Bastille und hatte dort wie gewohnt sein Gerät eingeschaltet. Seine Tischnachbarn waren …«
»Die Einbrecher?«
»Drei von ihnen. Der Mann, der Schmiere stand, war nicht dabei. Die Aufnahme ist nicht perfekt, aber es lässt sich heraushören, dass sie sich für den übernächsten Tag verabreden und dass eine bestimmte Villa schon seit einiger Zeit beobachtet wurde.
Weniger als eine halbe Stunde danach wurde der junge Mann in der Rue Popincourt von hinten angefallen und mit sieben Messerstichen niedergestreckt, von denen einer tödlich war …«
»Glauben Sie, dass einer dieser Männer …«
»Ich glaube gar nichts, meine Herren. In meinem Beruf geht es nicht darum, etwas zu glauben, sondern Beweise zu finden oder Geständnisse zu erhalten.«
»Ist der Täter gesehen worden?«
»Zwei nicht sehr weit entfernte Passanten und eine auf der gegenüberliegenden Straßenseite wohnende Dame haben ihn gesehen …«
»Glauben Sie, die Einbrecher haben bemerkt, dass ihre Unterhaltung aufgenommen wurde?«
»Noch einmal, ich glaube nichts … Man kann es mit einigem Grund annehmen …«
»Einer der Einbrecher wäre demnach Batille gefolgt, bis er sich in einer menschenleeren Straße befand, und … Hat der Mörder das Tonband an sich genommen?«
»Nein.«
»Wie erklären Sie sich das?«
»Ich habe keine Erklärung dafür.«
»Bei den Passanten, die Sie erwähnt haben, handelt es sich vermutlich um das Ehepaar Pagliati … Sie sehen, dass wir mehr wissen, als es den Anschein hat … Sind diese Leute denn hingelaufen und haben den Mann gehindert …«
»Nein. Er hat zunächst nur viermal zugestochen. Dann hat er sich entfernt, ist aber zurückgekommen, um noch dreimal zuzustechen. Er hätte also dem Opfer das Gerät entreißen können.«
»Das heißt, dass Sie noch völlig im Dunkeln tappen.«
»Ich werde diese Herren vernehmen …«
»Alle zusammen?«
»Einzeln.«
»Mit wem fangen Sie an?«
»Mit Yvon Demarle, dem Matrosen.«
»Wie lange wird es dauern?«
»Das kann ich nicht sagen. Sie können ja einen Kollegen hier warten lassen.«
»Und die anderen gehen ein Bier trinken! Sehr gute Idee! Vielen Dank, Herr Kommissar.«
Maigret hätte
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