Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer

Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer

Titel: Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
Louis. »Es ist doch unwichtig, wo man ist und wohin man geht. Freiwillig bleibt kein einziger hier, solange wir im Hafen liegen.«
    Maigret mußte sich zuerst an das Halbdunkel und vor allem an den Geruch gewöhnen. Man konnte sich vorstellen, wie es in der Unterkunft aussah, wenn vierzig Männer darin hausten, die keine Bewegung machen konnten, ohne die anderen anzustoßen.
    Vierzig Männer, die sich in Kleidern und Stiefeln auf ihre Kojen warfen, schnarchten, Tabak kauten und rauchten!
    »Kam der Kapitän manchmal hierher?«
    »Nie.«
    Und das Stampfen der Maschinen, der Kohlegeruch, der Ruß, die heißen Metallwände, das Tosen des Meeres!
    »Komm mit, P’tit Louis!«
    Maigret bemerkte, wie der Matrose hinter seinem Rücken eine prahlerische Geste zu seinen Kameraden hin machte. Aber oben auf dem in Dunkel getauchten Deck war ihm das Prahlen wieder vergangen.
    »Was ist?«
    »Nichts … Warte … Nehmen wir einmal an, der Kapitän wäre unterwegs gestorben. Hätte jemand das Schiff in den Hafen zurücksteuern können?«
    »Vielleicht nicht. Der Erste Offizier kann nämlich nicht navigieren. Es heißt allerdings, der Funker könne mit seinen Geräten die Position immer bestimmen.«
    »Hast du ihn oft gesehen, den Funker?«
    »Nie! Sie dürfen nicht glauben, daß man auf dem Schiff immer so herumgehen kann wie jetzt. Es gibt Quartiere für die einen und Quartiere für die anderen. Man bleibt oft tagelang in seiner Ecke.«
    »Und den Chefmaschinisten?«
    »Den ja! Ich sah ihn sozusagen täglich.«
    »Wie war er?«
    P’tit Louis wich der Frage aus.
    »Weiß ich es denn? Und worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Ich möchte Sie mal sehen, wenn alles schiefgeht! Wenn ein Schiffsjunge über Bord geht, ein Dampfventil herausspringt, der Kapitän den Kasten durchaus dahin steuern will, wo es nicht einen Fisch gibt, wenn einer der Männer Wundbrand bekommt und was sonst noch alles! Da würden auch Sie Gott tausendmal verfluchen! Und für ein ja oder ein nein würden auch Sie Ihre Faust dem anderen ins Gesicht schlagen! Und wenn man Ihnen zu allem Überfluß auch noch sagt, daß der Kapitän dort oben spinnt …«
    »Tat er das?«
    »Ich bin nicht zu ihm gegangen, um ihn danach zu fragen. Dann …«
    »Dann?«
    »Nach allem, was ich Ihnen gesagt habe, kann das auch nichts mehr schaden. Irgend jemand wird es Ihnen sowieso erzählen … Es scheint, es waren drei dort oben, die immer ihren Revolver griffbereit hatten. Drei, die sich belauerten, die Angst voreinander hatten. Der Kapitän verließ kaum mal seine Kabine, in die er sich Karten, Kompaß, Sextant und alles übrige hatte bringen lassen.«
    »Und das ist drei Monate lang so gewesen?«
    »Ja! Haben Sie sonst noch Fragen?«
    »Danke. Du kannst gehen.«
    P’tit Louis entfernte sich fast widerwillig, blieb noch einen Augenblick vor der Decksluke stehen und beobachtete den Kommissar, der in kurzen Zügen seine Pfeife rauchte.
    Aus den klaffenden Öffnungen der Frachträume wurde im Schein der Karbidlampen immer noch Kabeljau geladen. Aber Maigret wollte nicht mehr an die Waggons, die Dockarbeiter, die Kais, die Mole und den Leuchtturm denken.
    Mit halbgeschlossenen Lidern stand er an Deck dieses blechernen Universums und stellte sich das weite Meer vor, ein gleichförmig wogendes Feld, das der Bug des Schiffes unablässig pflügte, Stunde um Stunde, Tag um Tag, Woche um Woche.
    »Wenn Sie glauben, daß man immer so herumgehen kann wie jetzt …«
    Männer an den Maschinen. Männer auf dem Vordeck. Und achtern die Elite, ein paar Mann nur: der Kapitän, sein Erster Offizier, der Chefmaschinist und der Funker.
    Eine kleine Lampe, um den Kompaß zu beleuchten. Ausgebreitete Karten.
    Drei Monate!
    Als sie zurückgekommen waren, hatte Kapitän Fallut sein Testament aufgesetzt, in dem er seine Absicht, sein Leben zu beschließen, kundtat.
    Eine Stunde nach der Ankunft am Kai war er erwürgt und in das Hafenbecken geworfen worden.
    Und Madame Bernard, seine Wirtin, war untröstlich, weil damit ihre Hoffnung auf eine glückliche Ehe zunichte wurde. Der Chefmaschinist machte seiner Frau Szenen. Eine gewisse Adèle stritt sich mit einem Unbekannten, floh aber mit ihm in dem Augenblick, als Maigret ihr das mit roter Tinte zerkratzte Foto unter die Nase hielt.
    Der Funker Le Clinche in seiner Gefängniszelle benahm sich geradezu unausstehlich.
    Das Schiff bewegte sich kaum. Es war ein ganz leichtes Wiegen, gleich einer sich hebenden Brust. Einer der drei Männer auf dem Vorderdeck

Weitere Kostenlose Bücher