Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer
Schuld war, und um ihn um Verzeihung zu bitten. Aber er machte ein eiskaltes Gesicht. Ich ging, eilte in meine Kabine …
Ich hatte Angst. Von nun an hatte ich immer einen geladenen Revolver in meiner Tasche, denn ich war überzeugt, daß er mich umbringen würde.
Er hat nie mehr ein Wort mit mir gesprochen, das nicht dienstlich war, und selbst da ließ er mir die Befehle meistens schriftlich zukommen.
Ich würde es Ihnen gerne besser erklären, aber ich kann nicht. Es wurde mit jedem Tag schlimmer. Ich hatte das Gefühl, daß alle über das Drama Bescheid wußten.
Auch der Chefmaschinist strich um die Kabine herum. Und der Kapitän hielt sich oft stundenlang eingeschlossen.
Die Männer schauten uns fragend und besorgt an. Sie ahnten, daß etwas vorging. Hundertmal hörte ich sie vom bösen Blick sprechen.
Und ich hatte nur das eine Verlangen …«
»Natürlich!« murmelte Maigret.
Sie schwiegen. Le Clinche starrte den Kommissar beschämt an.
»Die nächsten zehn Tage waren schlimm. Ich war krank. Aber ich dachte nur an sie. Sie roch so gut. Sie … Ich kann es Ihnen nicht beschreiben. Es tat mir weh! Ja! Ein Verlangen, das richtig schmerzhaft war und mich vor Wut heulen ließ! Vor allem, wenn ich den Kapitän in seine Kabine gehen sah! Denn jetzt bildete ich mir Dinge ein … Sehen Sie, sie hatte mich ihren großen Jungen genannt. Mit einer besonderen, etwas heiseren Stimme! Und ich sagte diese beiden Worte immer wieder vor mich hin, um mich zu quälen … An Marie schrieb ich nicht mehr. Ich malte mir die unmöglichsten Träume aus: Gleich nach der Ankunft in Fécamp wollte ich mit dieser Frau fliehen …«
»Der Kapitän?«
»Wurde immer eisiger, immer strenger. Vielleicht spielte in seinem Fall doch etwas Irrsinn mit. Ich weiß es nicht. Er gab den Befehl, an einer bestimmten Stelle zu fischen, und alle älteren Seeleute behaupteten, daß man in diesen Gewässern noch nie einen Fisch gesehen habe. Er duldete keinen Widerspruch. Er hatte Angst vor mir. Wußte er, daß ich bewaffnet war? Er trug auch einen Revolver. Wenn wir uns begegneten, steckte er seine Hand in die Tasche …
Ich habe hundertmal versucht, Adèle wiederzusehen. Aber er war immer da! Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und einen verbissenen Zug um den Mund. Und der Fischgeruch! Die Männer, die den Fisch im Laderaum versalzten! Die Unfälle, Schlag auf Schlag …
Der Chefmaschinist strich auch um die Kabine herum. Man konnte nicht mehr offen miteinander sprechen. Wir waren wie drei Irre. Ich glaube, in manchen Nächten hätte ich jemanden umbringen können, nur um sie zu sehen. Verstehen Sie das? … Nächte, in denen ich in mein Taschentuch biß und mir in ihrer Stimme immer wieder hersagte: Mein großer Junge ! Großes Dummchen!
Und die Zeit wollte nicht vergehen! Tage, Nächte, und wieder Tage! Ringsum nichts als graues Wasser, kalte Nebel und überall Kabeljauschuppen und -eingeweide. Der widerliche Geschmack von Salzlake im Mund.
Ein einziges Mal! Wenn ich sie nur noch einmal hätte treffen können, ich glaube, ich wäre für immer geheilt gewesen. Aber es war unmöglich. Er war da! Er war immer da, und seine Augen wurden immer hohler. Und dann dieses ewige Schlingern, dieses Leben ohne Horizont … Dann endlich sahen wir wieder die Steilküste …
Können Sie sich vorstellen, daß das drei Monate gedauert hat? Nun, anstatt geheilt zu sein, war ich nur noch kränker. Erst jetzt wird mir bewußt, daß es eine richtige Krankheit war.
Ich haßte den Kapitän, der mir dauernd im Weg stand. Ich ekelte mich vor diesem schon alten Mann, der eine Frau wie Adèle eingesperrt hielt.
Ich hatte Angst vor der Rückkehr in den Hafen. Angst davor, sie für immer zu verlieren.
Zuletzt kam er mir wie ein Dämon vor. Ja! Wie ein böser Geist, der diese Frau für sich alleine beanspruchte …
Bei der Einfahrt in den Hafen wurde falsch manövriert. Die Männer sprangen erleichtert an Land, stürzten in die Bistros. Aber ich wußte genau, daß der Kapitän nur die Stille der Nacht abwartete, um Adèle herauszulassen. Ich begab mich in mein Zimmer bei Léon. Ich hatte dort alte Briefe und Fotos von meiner Braut, und plötzlich, ich weiß nicht warum, packte mich die Wut, und ich verbrannte das ganze Zeug.
Ich ging wieder zum Kai. Ich wollte sie! Ich wiederhole: Ich wollte sie! Hatte sie mir nicht gesagt, Fallut würde sie nach der Rückkehr heiraten?
Unterwegs stieß ich auf einen Mann …«
Er ließ sich schwer ins Kopfkissen
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