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Maigret bei den Flamen

Maigret bei den Flamen

Titel: Maigret bei den Flamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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bitten, sich für ein Experiment zur Verfügung zu stellen … Würden Sie in das Eßzimmer hinunter gehen und so lange Klavier spielen, bis ich Sie rufe? Wenn möglich das gleiche Stück wie am 3 . Januar. Wer hat damals gespielt?«
    »Marguerite. Sie singt und begleitet sich dazu auf dem Klavier. Sie hat Gesangsstunden genommen.«
    »Erinnern Sie sich an das Stück?«
    »Es ist immer das gleiche: Solveigs Lied. Aber … Ich … ich verstehe nicht, wozu …«
    »Ein einfaches Experiment …«
    Sie ging rückwärts hinaus und wollte die Tür schließen.
    »Nein! Lassen Sie sie offen.«
    Einige Augenblicke später glitten ihre Finger gleichgü l tig über die Tasten und spielten eine Reihe kaum verbu n dener Akkorde. Ohne Zeit zu verlieren, öffnete Maigret die Schränke in dem Zimmer der beiden Mä d chen.
    Zuerst nahm er sich den Wäscheschrank vor. Regelmäßige Stapel von sorgfältig gebügelten Hemden, H o sen und Unterröcken.
    Die Akkorde verbanden sich, und man konnte die Melodie erkennen. Maigrets grobe Hände eilten zwischen der Wäsche aus weißer Baumwolle hin und her.
    Ein Augenzeuge hätte ihn wahrscheinlich für einen Verliebten gehalten, wenn nicht gar für einen Mann, der sich irgendeiner dubiosen Leidenschaft hingab.
    Biedere Wäsche aus grobem, unverwüstlichem Stoff. Die Sachen der beiden Schwestern lagen nicht getrennt.
    Dann nahm er sich eine Schublade vor: Strümpfe, Strumpfhalter, Schachteln mit Haarnadeln. Kein Puder, kein Parfüm, abgesehen von einem Fläschchen Kölnisch Wasser, das sicherlich besonderen Anlässen vorbehalten war.
    Die Musik schwoll an und füllte das Haus. Und nach und nach begann eine Stimme das Klavier zu begleiten, übernahm die Führung:
     
    Mein holder Verlobter,
    gewiß, du wirst mein …
     
    Das war nicht Marguerite, die dort sang! Das war Anna Peeters! Sie sang alle Silben akzentuiert und betonte b e stimmte Zeilen mit Wehmut.
    Maigrets Hände suchten immer noch fieberhaft und tasteten Wäschestücke ab.
    In einem Wäschestapel raschelte etwas, das kein Stoff, sondern nur Papier sein konnte.
    Noch ein Porträt. Ein Amateurfoto, chamois mit Büttenrand: ein junger Mann mit gewelltem Haar, feinen Zügen und einer selbstsicher und ein bißchen mokant vorgeschobenen Oberlippe.
    Maigret wußte nicht, an wen ihn das Bild erinnerte. Aber es erinnerte ihn an irgend etwas.
     
    Ich hab’ es versprochen,
    ich harre treulich dein …
     
    Eine tiefe, fast maskuline Stimme, die langsam erlosch. Dann ein Rufen:
    »Muß ich noch weiterspielen, Herr Kommissar?«
    Er schloß die Schranktüren, steckte die Fotografie und ging rasch in Josephs Zimmer.
    »Nein, Sie können aufhören!«
    Als Anna zurückkam, fiel ihm auf, daß sie blasser war. Hatte sie mit zuviel Inbrunst gesungen? Sie blickte sich im Zimmer um, entdeckte aber nichts Ungewöhnliches.
    »Ich verstehe immer noch nicht … Aber ich wollte Sie etwas fragen, Herr Kommissar. Sie haben Joseph gesehen, gestern abend. Was halten Sie von ihm? Glauben Sie, daß er fähig wäre …«
    Sie hatte, gewiß unten im Eßzimmer, ihr Kopftuch abgenommen, und Maigret hatte sogar den Eindruck, daß sie sich die Hände gewaschen hatte.
    »Es ist unbedingt erforderlich, unbedingt, verstehen Sie, daß alle seine Unschuld anerkennen! Er muß unbedingt glücklich werden!«
    »Mit Marguerite van de Weert?«
    Sie sagte nichts und seufzte nur.
    »Wie alt ist Ihre Schwester Maria?«
    »Achtundzwanzig. Alle sind überzeugt, daß sie einmal Direktorin der Schule in Namur wird …«
    Maigret tastete nach dem Porträt in seiner Tasche.
    »Hat sie keine Verehrer?«
    Verblüfft fragte sie zurück:
    »Wer, Maria?«
    Das kam so prompt, als wollte sie sagen:
    »Maria und einen Verehrer? Sie kennen sie nicht!«
    »Ich werde meine Untersuchung fortsetzen«, sagte Maigret und ging hinaus auf den Treppenabsatz.
    »Haben Sie schon etwas heraus bekommen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie folgte ihm die Treppe hinunter . Als sie durch die Küche gingen, bemerkte er den alten Peeters, der in se i nem Sessel saß und ihn nicht zu sehen schien.
    »Er bekommt überhaupt nichts mehr mit«, seufzte A n na.
    Im Laden waren drei oder vier Kunden. Madame Peeters füllte ihre Gläser mit Genever. Sie grüßte, indem sie eine Verbeugung andeutete, ohne jedoch die Flasche lo s zulassen, und sprach dann weiter flämisch.
    Offenbar erklärte sie, daß der Besucher der Kommissar aus Paris war, denn die Schiffer drehten sich respek t voll nach Maigret um.
    Draußen war Inspektor

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