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Maigret bei den Flamen

Maigret bei den Flamen

Titel: Maigret bei den Flamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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jedenfalls muß mir meinen Lebensunterhalt verdienen, und das Büro macht um zwei Uhr wieder auf!«
    Wozu noch diskutieren? Maigret sah sich ein letztes Mal um, bemerkte das Gitterbett des Kindes im Nebenzimmer und wandte sich zur Tür.
     
     
    Machère wartete schon im Hôtel de la Meuse auf ihn. Die Handelsreisenden nahmen ihre Mahlzeit in einem kleinen Saal ein, der vom Café durch eine Glastür getrennt war.
    Aber auch im Café selbst konnte man eine Kleinigkeit essen, und einige Gäste saßen dort und aßen an Tischen ohne Tischdecke.
    Machère war nicht allein. Ein kleiner Mann mit unheimlich breiten Schultern und langen Armen trank an seinem Tisch einen Aperitif und erhob sich, als er den Kommissar hereinkommen sah.
    »Gustave Cassin«, stellte der Inspektor, der einen recht aufgekratzten Eindruck machte, ihn vor: »Der B e sitzer der ›Etoile Polaire‹!«
    Maigret nahm Platz. Ein Blick auf die Untersetzer ve r riet ihm, daß die beiden schon vor ihrem dritten Aperitif saßen.
    »Cassin hat Ihnen etwas zu erzählen …«
    Der Mann wartete nicht einmal ab, bis Machère fertiggesprochen hatte, und sprudelte los, indem er sich wichtig auf die Schulter des Kommissars stützte:
    »Man muß doch sagen, was man zu sagen hat, nicht wahr? Nur, warum soll man’s erzählen, solange einen keiner danach fragt … Wie mein verstorbener Vater immer sagte: nur keinen Übereifer!«
    »Ein Halbes!« rief Maigret dem Kellner entgegen.
    Er schob seinen steifen Hut nach hinten und knöpfte seinen Mantel auf. Als der Schiffer nach Worten suchte, brummte er:
    »Wenn ich mich nicht irre, waren Sie am Abend des 3 . Januar sternhagelvoll …«
    »Sternhagelvoll ist nicht wahr! Ich hatte einige Gläschen getrunken, aber gerade gehen konnte ich noch. Und was ich gesehen habe, das habe ich ganz genau g e sehen …«
    »Und da haben Sie ein Motorrad gesehen, das hier vorbeikam und vor dem Haus der Flamen stehenblieb?«
    »Ich? Nie im Leben!«
    Machère gab Maigret ein Zeichen, den Mann nicht zu unterbrechen, und ermutigte Cassin mit einer Handbewegung, weiterzuerzählen.
    »Ich habe eine Frau am Kai gesehen. Und ich will Ihnen auch sagen, wer es war. Diejenige von den beiden Schwestern, die nie im Laden ist und jeden Morgen mit dem Zug fährt.«
    »Maria?«
    »Kann sein, daß sie so heißt. So eine magere, mit blonden Haaren. Wissen Sie, das war nicht normal, daß sie dort draußen herum lief, denn es stürmte so, daß die Haltetaue gegen die Schiffe schlugen.«
    »Um wieviel Uhr war das?«
    »Als ich zu meinem Schiff zurückging, um mich schlafen zu legen. Vielleicht gegen acht, vielleicht auch ein bißchen später …«
    »Hat die Frau Sie auch gesehen?«
    »Nein! Ich bin nicht weitergegangen, sondern habe mich an den Zollschuppen gedrückt, denn ich nahm an, daß sie ihren Geliebten erwartete, und ich wollte me i nen Spaß haben …«
    »Gewiß! Zweimal sind Sie ja schon wegen Sittlichkeitsvergehen verurteilt worden.«
    Cassin grinste und entblößte dabei eine ganze Reihe fa u ler Zähne. Sein Alter war schwer zu schätzen. Sein Haar, das dicht über der Stirn begann, war noch braun, aber sein Gesicht war voller Falten.
    Er war sehr auf die Wirkung seiner Worte bedacht, und nach jedem Satz schaute er zunächst Maigret an, dann Inspektor Machère und dann einen Gast, der hinter ihm stand und die Unterhaltung verfolgte.
    »Fahren Sie fort!«
    »Sie erwartete keinen Liebhaber.«
    Man merkte, daß er nun doch einen Augenblick zögerte. Er kippte den Rest seines Glases in einem Zug hinunter und rief dem Kellner zu:
    »Nochmal dasselbe!«
    Und im gleichen Atemzug:
    »Sie vergewisserte sich, daß niemand in der Nähe war. Dann kamen Leute aus dem Lebensmittelladen, aber nicht durch die Ladentür, sondern hinten herum . Sie trugen etwas Langes und warfen es in die Maas, genau zwischen mein Schiff und die ›Les Deux Frères‹, die hi n ter mir festgemacht hat.«
    »Wieviel macht es, Garçon?« fragte Maigret und erhob sich.
    Was der Schiffer erzählte, schien ihn völlig kalt zu la s sen. Machère verschlug es die Sprache. Und Cassin wu ß te nicht, was er davon halten sollte.
    »Kommen Sie mal mit!«
    »Wohin?«
    »Unwichtig. Kommen Sie!«
    »Ich will nur eben noch den Schnaps trinken, den ich bestellt habe.«
    Maigret wartete geduldig. Er sagte dem Wirt, daß er gleich zum Essen zurückkäme, und führte den Trunkenbold zum Fluß.
    Um diese Zeit war der Kai menschenleer, weil alle bei Tisch saßen. Dicke Regentropfen begannen zu

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