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Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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zum Hoteleingang auf.
    Der Revierkommissar war schon da und unterhielt sich mit dem Portier, der auf Maigret zeigte und rief:
    »Das ist er! Ich erkenne ihn wieder …«
    Die beiden Beamten gaben sich die Hand. Aus einem kleinen Salon hinter der Hotelhalle hörte man ein Schluchzen und ein wirres Gemurmel.
    »Wie hat er es gemacht?« fragte Maigret.
    »Das Mädchen, das mit ihm zusammenlebt, gibt an, er habe ganz ruhig vor dem Fenster gestanden. Sie zog sich an. Er sah ihr zu und pfiff dabei vor sich hin. Er hörte nur kurz auf, um ihr zu sagen, daß sie hübsche Schenkel habe. Nur ihre Waden seien ein bißchen zu mager. Dann pfiff er weiter. Und plötzlich hörte sie nichts mehr. Sie hatte plötzlich ein beklemmendes Gefühl der Leere. Er war nicht mehr da! Und durch die Tür konnte er nicht hinausgegangen sein …«
    »Ich verstehe! Hat er niemanden verletzt, als er auf das Pflaster stürzte?«
    »Niemanden! Er war sofort tot. Wirbelsäule zweifach gebrochen.«
    »Er ist da!« rief der Polizist.
    Und der Revierkommissar erklärte Maigret:
    »Der Krankenwagen. Mehr gibt es nicht zu tun … Wissen Sie, ob er Angehörige hat, die benachrichtigt werden müssen? Als Sie ankamen, erklärte der Portier mir gerade, daß der junge Mann heute morgen Besuch gehabt habe. Ein großer, schwerer Mann, den er mir beschrieb, und im gleichen Augenblick sah ich Sie … Sie waren es! Soll ich jetzt trotzdem einen Bericht schreiben, oder kümmern Sie sich um alles?«
    »Schreiben Sie einen Bericht!«
    »Und die Angehörigen?«
    »Das übernehme ich.«
    Er öffnete die Tür zum Salon und sah eine Gestalt am Boden liegen, die man mit einer Decke von einem der Betten ganz zugedeckt hatte.
    Céline war in einem Sessel zusammengesunken und ließ jetzt ein gleichförmiges Wimmern hören, während eine füllige Frau, die Inhaberin oder Geschäftsführerin, unaufhörlich tröstend auf sie einsprach.
    »Er hat sich doch nicht Ihretwegen umgebracht, nicht wahr? Sie können doch nichts dazu … Sie haben ihm doch nie etwas verweigert …«
    Maigret hob die Decke nicht hoch und gab sich auch nicht Céline zu erkennen.
    Wenige Augenblicke später trugen Sanitäter die Leiche zum Krankenwagen, der davonfuhr und die Richtung zum Gerichtsmedizinischen Institut einschlug.
    In der Rue Pigalle begann die Menge sich langsam zu zerstreuen. Die Neugierigen, die zuletzt hinzugekommen waren, wußten nicht einmal mehr, ob es sich um einen Brand, einen Selbstmord oder die Festnahme eines Taschendiebes handelte.
     
    »Er pfiff vor sich hin … Und plötzlich hörte ich nichts mehr …«
    Maigret stieg langsam, sehr langsam die Treppe an der Place des Vosges hinauf, und je mehr er sich dem zweiten Stock näherte, desto mehr legte sich sein Gesicht in Falten.
    Die Tür der alten Mathilde stand einen Spaltweit offen. Sicherlich stand die Frau dahinter, auf der Lauer. Aber er zuckte nur die Schultern und zog an der Schnur, die vor der Tür der Martins hing.
    Er hatte die Pfeife zwischen den Zähnen. Er überlegte einen Moment, ob er sie in die Tasche stecken sollte, und zuckte dann noch einmal die Schultern.
    Das Geräusch von Flaschen, die aneinanderstießen. Ein leises Murmeln. Zwei Männerstimmen kamen näher, und schließlich öffnete sich die Tür.
    »Ja, Herr Doktor … Gewiß, Herr Doktor … Vielen Dank, Herr Doktor …«
    Ein niedergeschlagener Monsieur Martin, der noch nicht dazu gekommen war, sich anzukleiden, und den Maigret in dem gleichen bejammernswerten Aufzug antraf wie am Morgen.
    »Sie sind es?«
    Der Arzt ging zur Treppe, während Monsieur Martin den Kommissar eintreten ließ und einen verstohlenen Blick in das Schlafzimmer warf.
    »Geht es ihr schlechter?«
    »Man weiß noch nicht … Der Arzt will sich noch nicht festlegen … Er kommt heute abend wieder …«
    Er nahm ein Rezept, das auf dem Rundfunkempfänger lag, und starrte es mit leeren Augen an.
    »Ich habe nicht einmal mehr jemanden, den ich zur Apotheke schicken könnte!«
    »Was ist geschehen?«
    »Fast genauso wie heute nacht, nur heftiger! Sie fing an zu zittern und unverständliche Dinge zu reden … Ich habe den Arzt gerufen, und er hat festgestellt, daß sie fast vierzig Fieber hat …«
    »Phantasiert sie?«
    »Aber ich sage Ihnen doch, daß man nicht verstehen kann, was sie sagt! Sie braucht Eiswürfel und einen Gummibeutel, um sie ihr auf die Stirn zu legen …«
    »Soll ich solange hierbleiben, während Sie zur Apotheke gehen?«
    Monsieur Martin war im Begriff abzulehnen,

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