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Maigret und das Verbrechen in Holland

Maigret und das Verbrechen in Holland

Titel: Maigret und das Verbrechen in Holland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Tasche.
    »Sie langweilen sich auf dem Mustergut Ihres Papas! Sie wollen etwas anderes! Mit siebzehn fangen Sie auf dem Gymnasium mit dem Turnlehrer an … Unmöglich, ihn zum Weggehen zu bewegen. In Delfzijl lassen Sie die Männer Revue passieren und Sie entdecken einen, der mutiger als die anderen zu sein scheint. Popinga ist herumgekommen. Auch er liebt das Leben. Er fühlt sich nicht wohl in dieser Welt der Vorurteile. Sie werfen sich ihm an den Hals …«
    »Warum sagen Sie …«
    »Vielleicht übertreibe ich! Nehmen wir an, daß er, da Sie ein hübsches Mädchen sind, ein verteufelt verführ e risches Mädchen, Ihnen ein bißchen den Hof macht. Aber nur ganz vorsichtig, denn er fürchtet Komplikati o nen, fürchtet seine Frau, Any, seinen Direktor, seine Schüler …«
    »Vor allem Any!«
    »Auf sie kommen wir gleich … Er küßt Sie also ve r stohlen. Ich möchte wetten, daß er nicht einmal den Mut hatte, mehr zu wollen. Doch Sie glauben, es sei s o weit … Sie schaffen es, ihn jeden Tag zu treffen. Sie bringen ihm Obst, zu ihm nach Hause. Sie nisten sich bei ihm zu Hause ein. Sie lassen sich mit dem Rad nach Hause bri n gen und halten hinter dem Holzhaufen an. Sie schreiben ihm Briefe, in denen Sie von Ihrem Wunsch auszubr e chen schreiben …«
    »Haben Sie sie gelesen?«
    »Ja.«
    »Und Sie glauben, daß nicht er angefangen hat?«
    Sie ereiferte sich.
    »Anfangs sagte er mir, er sei sehr unglücklich, Mad a me Popinga verstehe ihn nicht und denke immer nur daran, was die Leute sagen könnten. Es sei ein ödes L e ben und alles …«
    »Selbstverständlich!«
    »Sie sehen genau, daß …«
    »Sechzig von hundert verheirateten Männern sagen dies zum erstbesten jungen, verführerischen Mädchen, dem sie begegnen. Nur ist der Arme einem begegnet, das ihn beim Wort genommen hat …«
    »Sie sind gemein, gemein!«
    Sie war nahe daran zu weinen. Sie faßte sich, stampfte mit dem Fuß auf, um das Wort gemein noch zu bet o nen.
    »Kurz, er hat diese berühmte Abreise immer wieder verschoben, und Sie haben genau gemerkt, daß er sie nie in die Tat umsetzen würde.«
    »Das stimmt nicht!«
    »Aber ja! Der Beweis ist doch, daß Sie sich irgendwie gegen diese Möglichkeit absicherten, indem Sie Barens’ Werbung hinnahmen, vorsichtig natürlich, weil er ein schüchterner, wohlerzogener, achtbarer junger Mann ist, den man nicht vor den Kopf stoßen darf …«
    »Das ist entsetzlich!«
    »Es ist eine kleine wahre Geschichte.«
    »Sie hassen mich, nicht wahr?«
    »Ich? Überhaupt nicht.«
    »Sie hassen mich! Und ich bin so unglücklich! Ich liebte Conrad!«
    »Und Cornelius? Und der Turnlehrer?«
    Diesmal weinte sie wirklich. Und stampfte mit dem Fuß auf.
    »Ich verbiete Ihnen …«
    »Wieso behaupten Sie, daß Sie sie nicht geliebt h a ben? Sie liebten sie in dem Maß, in dem sie für Sie ein anderes Leben verkörperten, den großen Aufbruch, von dem Sie stets besessen waren.«
    Sie hörte nicht mehr hin. Sie seufzte:
    »Ich hätte nicht kommen sollen. Ich glaubte …«
    »… daß ich Sie unter meine Fittiche nehmen würde? Aber das tue ich doch! Nur betrachte ich Sie deswegen weder als Opfer noch als Heldin. Sie sind ein kleines, genießerisches Mädchen, ein bißchen dumm, ein bi ß chen egoistisch, das ist alles! Ein kleines Mädchen, wie es viele gibt.«
    Sie blickte ihn mit feuchten, aber schon hoffnung s vollen Augen an.
    »Alle hassen mich!« schimpfte sie.
    »Wer, alle?«
    »Zuerst Madame Popinga, weil ich ganz anders bin als sie! Sie möchte, daß ich den ganzen Tag Kleider für die Eingeborenen in Ozeanien nähe oder etwas für die Armen stricke. Ich weiß, daß sie zu den Mädchen im Nä h kurs gesagt hat, sie sollten nicht so werden wie ich. Und sie hat mir angekündigt, es würde ein schlimmes Ende mit mir nehmen, wenn ich nicht schnell einen Mann finden würde. Man hat es mir immer wieder g e sagt …«
    Wieder war der abgestandene Geruch der Kleinstadt zu spüren: der Nähkurs, der Klatsch, die jungen Mä d chen aus guter Familie, die sich um die Vorsitzende des Wohltätigkeitsvereins scharten, die Ratschläge, die pe r fiden Vertraulichkeiten …
    »Aber es ist vor allem Any …«
    »… die Sie haßt?«
    »Ja! Wenn ich kam, ging sie sogar meistens aus dem Wohnzimmer in ihr Zimmer hinauf. Ich könnte schw ö ren, daß sie schon seit langem wußte, was los war! … Madame Popinga ist trotz allem eine nette Frau. Sie ve r suchte nur immer, mir ein anderes Benehmen beiz u bringen, den Schnitt meiner

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