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Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Titel: Maigret und der geheimnisvolle Kapitän Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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älteste jetzt?«
    »Fünfzehn.«
    Die Leute von der Schleuse sahen den vorbeifahrenden Autos nach. Und sie waren kaum auf der Straße nach Lion-sur-Mer, da tauchte auch schon die Villa des Bürgermeisters auf, ein stattliches normannisches Gebäude mit weiß eingezäunten Rasenflächen, auf denen hier und da Porzellantiere standen.
    In der Diele empfing Madame Grandmaison im dunklen Seidenkleid ihre Gäste mit einem sehr reservierten Lächeln, sehr Dame von Welt. Die Tür zum Salon stand offen. Auf dem Rauchtisch waren Zigarren und Liköre bereitgestellt.
    Alle kannten sich. Es war ein kleiner Kreis aus Caen, der hier zusammentraf. Ein Mädchen in weißer Schürze kümmerte sich um Mäntel und Hüte.
    »Sie sind tatsächlich noch nie in Ouistreham gewesen, Herr Richter, und dabei wohnen Sie schon seit wie vielen Jahren in Caen?«
    »Seit zwölf Jahren, gnädige Frau … Ach! Da ist ja Mademoiselle Gisèle …«
    Ein vierzehnjähriges Mädchen, schon sehr – vor allem durch ihr Auftreten – auf die junge Dame, auf die bessere Bürgerstochter bedacht, ganz die Mama, verneigte sich leicht vor den Gästen. Indessen vergaß man, Maigret der Hausherrin vorzustellen.
    »Ich nehme an, daß Sie nach dem, was Sie gesehen haben, einen Likör einer Tasse Tee vorziehen. Ein kleiner Weinbrand, Herr Assessor? Die Gattin ist immer noch in Fontainebleau?«
    Alle sprachen durcheinander. Hin und wieder fing Maigret Gesprächsfetzen auf.
    »Nein! Zehn Enten in einer Nacht, das ist das Maximum … Ich schwöre Ihnen, es ist überhaupt nicht kalt … Die Hütte ist geheizt.«
    Und anderswo:
    »… leiden Sie sehr unter der Frachtkostenkrise?«
    »Es hängt von den Gesellschaften ab. Hier schränkt man sich kaum ein. Kein einziges Schiff ist abgerüstet worden. Aber die kleinen Reedereien, vor allem jene, die nur kleine Küstenschiffe besitzen, bekommen es allmählich zu spüren. Man kann sagen, daß im Prinzip sämtliche Schoner zum Verkauf stehen, weil sie nicht mehr kostendeckend fahren.«
    »Nein, Madame«, murmelte anderswo der Assessor, »kein Grund zur Aufregung. Das Rätsel um diesen Tod, wenn es dabei überhaupt eines gibt, wird bald gelöst sein. Nicht wahr, Kommissar? … Aber … Hat man Sie denn vorgestellt? … Das ist Kommissar Maigret, einer der vortrefflichsten Chefs von der Kriminalpolizei.«
    Maigret gab sich sehr steif, seine Miene war so abweisend wie nur möglich. Die junge Gisèle, die ihm lächelnd einen Teller mit Gebäck anbot, musterte er mit einem merkwürdigen Blick.
    »Danke.«
    »Wirklich? Mögen Sie nichts Süßes?«
    »Auf Ihr Wohl!«
    »Auf das Wohl unserer reizenden Gastgeberin!«
    Der Untersuchungsrichter, ein großer Dürrer in den Fünfzigern, der trotz dicker Brillengläser kaum etwas sah, nahm Maigret beiseite.
    »Sie haben selbstverständlich freie Hand. Aber rufen Sie mich jeden Abend an, um mich auf dem laufenden zu halten. Wie ist Ihre Meinung? Ein schändliches Verbrechen, nicht wahr?«
    Und da Monsieur Grandmaison sich gerade näherte, hob er die Stimme.
    »Sie haben übrigens Glück, auf einen Bürgermeister wie den von Ouistreham zu treffen, der Ihnen Ihre Aufgabe erleichtern wird … Nicht wahr, mein lieber Freund? Ich sagte dem Kommissar …«
    »Wenn er will, kann er dieses Haus als das seine betrachten. Ich nehme an, Sie wohnen im Hotel?«
    »Ja. Ich danke für Ihre Einladung, aber dort bin ich näher am Hafen.«
    »Und Sie glauben, daß Sie ausgerechnet in der Kneipe etwas entdecken werden? Vorsicht, Kommissar! Sie kennen Ouistreham nicht! Denken Sie daran, wie weit Leute, die ihr Leben in einer Kneipe verbringen, in ihrer Phantasie gehen können! Sie würden Vater und Mutter beschuldigen, nur um eine gute Geschichte erzählen zu können!«
    »Wollen wir dieses Thema nicht lassen?« schlug Madame Grandmaison mit einem verbindlichen Lächeln vor. »Ein Stück Kuchen, Kommissar? … Wirklich? … Mögen Sie nichts Süßes?«
    Zweimal! Das war zuviel! Maigret hätte aus Protest beinahe seine dicke Pfeife herausgeholt.
    »Erlauben Sie … Ich muß mich jetzt um gewisse Dinge kümmern.«
    Man versuchte nicht, ihn zurückzuhalten. Im Grunde legte man auf seine Anwesenheit ebensowenig Wert wie er Wert darauf legte, hier zu sein. Draußen stopfte er seine Pfeife, ging langsam in Richtung Hafen. Man kannte ihn nun schon. Man wußte, daß er mit dem Trupp von der Kneipe einen gehoben hatte, und man grüßte ihn mit einer gewissen Vertraulichkeit.
    Als der Kai in Sicht kam, fuhr der Wagen mit

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