Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Titel: Maigret und der geheimnisvolle Kapitän Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
Kommissar?«
    »Zwei Dinge. Einmal, wer ist Martineau? Und dann, warum hat sich der Bürgermeister von ihm verprügeln lassen?«
    »Hast du gehört, Louis? Das ist doch nicht schlimm!«
    »Ich weiß nichts.«
    Sie wurde zornig.
    »Louis, sieh dich vor! Bald glaube ich …«
    Und das Feuer knisterte weiter. Langsam tickte die Uhr, und auf dem Kupferpendel spiegelte sich der Schein der Lampe.
    Louis mit seinem mißratenen Körper war zu groß, zu stark, zu ungeschlacht für diese schmucke Kleinrentnerküche. Er wußte nicht wohin mit seinen Pranken. Sein unsteter Blick fand keinen Halt.
    »Du mußt reden!«
    »Ich habe nichts zu sagen.«
    Er wollte sich nachschenken, aber Julie riß die Karaffe an sich.
    »Genug jetzt! Mußt dich nicht auch noch betrinken!«
    Sie stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, daß dies ein tragischer Augenblick war. Sie klammerte sich an die Hoffnung, daß ein Wort alles aufklären könne.
    »Louis … dieser Mann … dieser Norweger, der sollte doch die ›Saint-Michel‹ kaufen und dein Chef werden, nicht wahr?«
    Und kategorisch kam die Antwort:
    »Nein.«
    »Wer ist es dann? Er ist noch nie hier gesehen worden. Es kommen keine Ausländer in die Gegend!«
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie blieb hartnäckig. Weiblicher Spürsinn machte sich bemerkbar.
    »Der Bürgermeister hat dich nie leiden können. Stimmt es, daß du heute abend bei ihm gegessen hast?«
    »Es stimmt.«
    Ungeduldig stampfte sie mit dem Fuß auf den Boden.
    »Also dann sag es mir! Es muß sein! Sonst, das schwöre ich dir, werde ich glauben, daß …«
    Weiter ging sie nicht. Sie war todunglücklich. Sie blickte auf den Korbsessel, auf den vertrauten Herd, die Uhr, die Karaffe mit den aufgemalten Blumen.
    »Du mochtest den Kapitän ganz gern. Ich weiß es. Du hast es hundertmal gesagt, und wenn ihr euch gestritten habt, dann nur …«
    Das mußte sie näher erklären.
    »Glauben Sie nicht an etwas, das nicht ist, Herr Kommissar! Mein Bruder mochte Kapitän Joris … Und der Kapitän mochte ihn auch gern. Nur, da gab es … Es ist nichts Schlimmes … Wenn Louis Geld in den Taschen hat, vergißt er sich völlig, gibt alles aus, egal wie und wofür … Der Kapitän wußte, daß Louis mir meine Ersparnisse abbettelte. Er hielt ihm eine Moralpredigt. Das ist alles! Und als er ihm schließlich das Haus verbot, dann nur aus diesem Grund … Damit er mir mein Geld nicht abnimmt … Aber zu mir sagte der Kapitän, daß Louis im Grunde genommen ein anständiger Kerl sei, der nur den einen Fehler habe, schwach zu sein …«
    »Und Louis«, sagte Maigret langsam, »wußte vielleicht, daß Sie, wäre Joris tot, dreihunderttausend Francs erben würden.«
    Es ging so schnell, daß Maigret fast das Nachsehen hatte. Julie stieß einen durchdringenden Schrei aus, als Grand-Louis sich mit voller Kraft auf Maigret warf und versuchte, diesen an der Gurgel zu packen.
    Doch der Kommissar kriegte Louis’ eines Handgelenk in der Luft zu fassen. Mit langsamem, aber stetem Druck drehte er es hinter dem Rücken des Matrosen um und knurrte:
    »Pfoten weg!«
    Julie lehnte mit dem Kopf in den verschränkten Armen an der Wand. Sie weinte herzzerreißend und jammerte:
    »Mein Gott! Mein Gott!«
    »Wirst du jetzt reden, Louis?« sagte Maigret in eindringlichem Ton und ließ den Exhäftling los.
    »Ich habe nichts zu sagen.«
    »Und wenn ich dich verhafte?«
    »Mir egal.«
    »Komm mit!«
    Julie schrie:
    »Herr Kommissar! Ich flehe Sie an! … Louis, so rede doch, um Gottes Willen!«
    Sie waren schon an der Glastür. Grand-Louis drehte sich um. Sein Gesicht war dunkelrot, seine Augen glänzten, und seine Miene war unbeschreiblich, als er eine Hand auf die Schulter seiner Schwester legte.
    »Lilie, ich schwöre dir …«
    »Laß mich los!«
    Zögernd tat er einen Schritt in den Flur, wandte sich noch einmal um:
    »Hör zu …«
    »Nein! Nein, geh!«
    So folgte er Maigret langsam bis zur Haustür, wo er sich wieder umdrehen wollte, es dann aber doch sein ließ. Die Tür schloß sich hinter ihnen. Sie waren noch keine fünf Schritte durch den Sturm gegangen, als sie wieder aufging und deutlich die Gestalt des Mädchens zu sehen war, das man rufen hörte:
    »Louis!«
    Zu spät. Die beiden Männer verschwanden mit zielstrebigen Schritten in der Nacht.
    Ein Regenschauer durchnäßte sie innerhalb weniger Sekunden. Man sah nichts, nicht einmal die Umrisse der Schleuse. Doch plötzlich rief unterhalb von ihnen eine Stimme aus der

Weitere Kostenlose Bücher