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Maigret und der gelbe Hund

Maigret und der gelbe Hund

Titel: Maigret und der gelbe Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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ich nicht gesehen.«
    »Und dann?«
    »Ich habe nach Hause gehen wollen. Ich bin am Wachlokal vorbeigegangen, wo ich mir eine Zigarette an der Pfeife meines Kollegen angezündet habe. Ich ging an den Quais entlang. Ich bin nach rechts abgebogen. Es war niemand da. Das Meer war nur schwach bewegt … Auf einmal, als ich gerade an einer Straßenecke vorüberging, spürte ich einen Schmerz im Bein, noch bevor ich den Knall eines Schusses hörte. Es war ein Stoß, wie wenn man mir einen Pflasterstein mitten an die Wade geschleudert hätte. Ich bin hingefallen … Ich habe wieder aufstehen wollen … Jemand lief davon … Meine Hand berührte eine warme Flüssigkeit, und ich weiß nicht, wie es passiert ist, aber ich bin ohnmächtig geworden. Ich habe geglaubt, ich sei tot.
    Als ich wieder zu mir kam, öffnete der Obsthändler an der Ecke gerade seine Tür und traute sich nicht heran.
    Das ist alles, was ich weiß.«
    »Der Person, die geschossen hat, haben Sie nicht gesehen?«
    »Ich habe gar nichts gesehen. Das geht nicht so, wie man sich das vorstellt. Es ging so schnell … Und vor allem, als ich meine Hand voller Blut spürte …«
    »Sie haben keine Feinde?«
    »Eben nicht! Ich bin erst seit zwei Jahren hier. Ich komme aus dem Landesinnern. Und ich hatte noch nie Gelegenheit, Schmuggler zu Gesicht zu bekommen.«
    »Gehen Sie jeden Abend auf diesem Weg nach Hause?«
    »Nein! Es ist ein Umweg. Aber ich hatte keine Streichhölzer, und so bin ich absichtlich zum Wachlokal gegangen, um mir eine Zigarette anzuzünden. Daher bin ich anstatt durch die Stadt an den Quais entlang gegangen.«
    »Durch die Stadt ist es näher?«
    »Ein wenig.«
    »So daß also jemand, der gesehen hätte, wie Sie das Café verließen und in Richtung Quai gingen, Zeit gehabt hätte, Ihnen aufzupassen?«
    »Bestimmt. Aber weswegen? Ich habe nie Geld bei mir. Man hat nicht versucht, mich auszurauben.«
    »Sind Sie auch sicher, Kommissar, daß Sie Ihren Vagabunden den ganzen Abend nicht aus den Augen gelassen haben?«
    Es lag etwas Spitzes in der Stimme des Bürgermeisters. Leroy trat ein, einen Zettel in der Hand.
    »Ein Telegramm, das die Post gerade per Telefon zum Hotel durchgegeben hat. Aus Paris.«
    Und Maigret las:
     
    Sûreté Générale an Kommissar Maigret, Concarneau
    Jean Goyard, genannt Servières, dessen Personenbeschreibung Sie übermittelt haben, am heutigen Montag abend acht Uhr Hôtel Bellevue, Rue Lepic, Paris, verhaftet, als er in Zimmer 15 abstieg. Hat gestanden, von Brest mit Zug sechs Uhr angekommen zu sein. Beteuert Unschuld und verlangt Vernehmung zur Sache im Beisein von Anwalt. Erwarten Weisungen.

8
    Ein Unbekannter!
    Sie werden vielleicht zugeben, Kommissar, daß es an der Zeit ist, daß wir uns mal ernsthaft unterhalten …
    Der Bürgermeister hatte diese Worte mit einer eisigen Ehrerbietung ausgesprochen, und Inspektor Leroy kannte Maigret noch nicht gut genug, um dessen Gemütsbewegung danach einzuschätzen, wie er den Rauch aus seiner Pfeife wieder ausblies. Ein dünner, grauer Rauchfaden strömte langsam zwischen den halbgeöffneten Lippen des Kommissars hervor, während er zwei- oder dreimal blinzelte. Dann zog Maigret sein Notizbuch aus seiner Tasche hervor und sah nacheinander den Apotheker, den Arzt und die Neugierigen an.
    »Zu Befehl, Herr Bürgermeister. Hier …«
    »Wenn Sie doch bitte auf eine Tasse Tee zu mir nach Hause kommen möchten«, fiel ihm der Bürgermeister ins Wort. »Mein Wagen steht vor der Tür. Ich werde solange warten, bis Sie die nötigen Befehle erteilt haben.«
    »Welche Befehle?«
    »Aber … der Mörder … der Vagabund … dieses Mädchen …«
    »Ach ja! Nun denn, wenn die Gendarmerie nichts Besseres zu tun hat, dann soll sie die Bahnhöfe in der Umgebung überwachen.«
    Er hatte seine einfältigste Miene aufgesetzt.
    »Und Sie, Leroy, Sie telegrafieren nach Paris, daß man uns Goyard herbringen soll, und dann gehen Sie zu Bett.«
    Er nahm im Wagen des Bürgermeisters Platz, der von einem Fahrer in schwarzer Livree gefahren wurde. Kurz vor Sables Blancs erblickte man die Villa des Bürgermeisters, die dicht an die Klippe gebaut war, was ihr ein wenig den Anstrich eines feudalen Schlosses verlieh. Aus den Fenstern drang Licht. Während der Fahrt hatten die beiden Männer keine zwei Sätze gewechselt.
    »Erlauben Sie, daß ich Ihnen den Weg weise.«
    Der Bürgermeister übergab seinen pelzgefütterten Mantel einem Diener.
    »Ist Madame schon zu Bett gegangen?«
    »Sie erwartet Herrn

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