Maigret und der gelbe Hund
…
Darin ist von dem gelben Hund, von dem Vagabunden die Rede. Jeder Satz ist dazu berechnet, Schrecken in Concarneauzu verbreiten. Und somit bestehen Aussichten, daß der Mann mit den großen Füßen eine Ladung Blei in den Leib bekommt, wenn ihn die Leute erblicken.
Um ein Haar wäre es geschehen! Zuerst hat man auf den Hund geschossen. Genauso hätte man auf den Mann geschossen! Eine aufgebrachte Bevölkerung ist zu allem fähig.
Am Sonntag beherrscht nämlich tatsächlich der Schrecken die Stadt. Michoux verläßt das Hotel nicht. Er ist krank vor Angst. Aber er bleibt fest entschlossen, sich bis zum Schluß zur Wehr zu setzen, mit allen Mitteln .
Ich lasse ihn mit Le Pommeret allein. Ich weiß nicht, was dann zwischen ihnen vorfällt. Goyard hat sich aus dem Staub gemacht. Le Pommeret selbst, der einer ehrbaren, einheimischen Familie angehört, muß wohl versucht sein, die Polizei einzuschalten – eher alles auffliegen lassen, als weiterhin diesen Alptraum durchmachen. Was riskiert er schon? Eine Geldstrafe! Ein bißchen Gefängnis! Höchstens! Das Hauptverbrechen ist in Amerika verübt worden.
Und Michoux, der ihn schwach werden fühlt, der den Mordanschlag auf Mostaguen auf dem Gewissen hat, der aus eigener Kraft da heraus will, koste es, was es wolle, zögert nicht, ihn zu vergiften.
Emma ist da. Wird der Verdacht nicht auf sie fallen?
Ich möchte Ihnen noch mehr von der Angst erzählen, weil sie es nämlich ist, die dem ganzen Verbrechen zugrunde liegt. Michoux hat Angst. Michoux will noch mehr seine Angst überwinden als seinen Gegner.
Er kennt Léon Le Glérec. Er weiß, daß dieser sich nicht widerstandslos festnehmen lassen wird. Und er rechnet mit einer Kugel, abgefeuert von den Gendarmen oder von einem erschrockenen Bürger, um ihm den Garaus zu machen.
Er rührt sich nicht vom Fleck. Ich bringe den verletzten Hund her, der im Sterben liegt. Ich will wissen, ob der Vagabund ihn holen kommen wird, und er kommt.
Seitdem ist das Tier nicht mehr gesehen worden, was mir beweist, daß er tot ist.«
Ein Laut drang aus Leons Kehle.
»Ja …«
»Haben Sie ihn begraben?«
»Auf der ›Pointe du Cabélou‹. Ein kleines Kreuz steht da, aus zwei Fichtenästen …«
»Die Polizei findet Léon Le Glérec. Er entflieht, denn er hat nur eines im Sinn, Michoux zu veranlassen, ihn anzugreifen. Er hat es gesagt: Er will ihn im Gefängnis sitzen sehen. Meine Pflicht ist es, ein weiteres Verbrechen zu verhindern, und deshalb verhafte ich Michoux, wobei ich ihm versichere, daß es geschieht, um ihn in Sicherheit zu bringen. Es ist keine Lüge. Aber gleichzeitig hindere ich Michoux daran, weitere Verbrechen zu verüben. Er ist am Ende. Er ist zu allem fähig. Er sieht sich von allen Seiten verfolgt.
Trotzdem ist er noch in der Lage, Komödie zu spielen, mir von seiner Konstitutionsschwäche zu erzählen, seine Heidenangst mit Aberglauben und einer alten Wahrsagung zu begründen, die erstunken und erlogen ist.
Was er braucht, ist, daß die Bevölkerung beschließt, seinen Gegner zur Strecke zu bringen.
Er weiß, daß man ihn logischerweise verdächtigen kann, an allem Schuld zu sein, was bisher geschehen ist. Allein, in dieser Zelle, grübelt er nach.
Ob es etwa kein Mittel gibt, die Verdächtigungen endgültig abzulenken? Wenn ein weiteres Verbrechen geschehen würde, jetzt, wo er hinter Schloß und Riegel sitzt, hätte er da nicht das stichhaltigste Alibi, das man sich vorstellen kann?
Seine Mutter kommt ihn besuchen. Sie weiß alles. Sie darf weder verdächtigt noch von Verfolgern eingeholt werden. Sie muß ihn retten!
Sie ißt beim Bürgermeister zu Abend. Sie läßt sich zu ihrer Villa zurückfahren, wo sie das Licht den ganzen Abend brennen läßt. Sie geht zu Fuß zur Stadt zurück. Ob alles schläft? Nur im Café noch nicht! Es genügt, darauf zu warten, daß jemand herauskommt, ihm an einer Straßenecke aufzulauern …
Und um diese Person am Laufen zu hindern, zielt sie auf die Beine. Dieses Verbrechen in seiner ganzen Sinnlosigkeit wäre die schwerste Belastung von Michoux, hätten wir nicht schon weitere. An dem Morgen, als ich hierher komme, hat er Fieber. Er weiß nicht, daß Goyard in Paris verhaftet worden ist. Vor allem weiß er nicht, daß ich zu dem Zeitpunkt, als der Schuß auf den Zöllner abgegeben worden ist, den Vagabunden vor meinen Augen hatte.
Denn Léon, verfolgt von der Polizei und der Gendarmerie, ist in der Häuserzeile geblieben. Er will es schnell zu Ende bringen. Er
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