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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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das Glas aufkleben konnte. Die größten maßen etwa sieben, acht Zentimeter, die kleinsten waren nur noch winzige Aschenhäufchen.
    Moers hatte seine Tasche mitgebracht, die ein vollständiges Miniaturlaboratorium enthielt.
    Obolus… Vorberei… Ich mache Sie …
    Zwei Stunden Arbeit, und das war das Ergebnis! Doch im Gegensatz zu Maigret blieb Moers vollkommen gelassen, und die Tatsache, daß er erst etwa den hundertsten Teil des Kamininhalts untersucht hatte, schien ihn nicht im geringsten zu beeindrucken.
    Um seinen Kopf schwirrte nun schon seit geraumer Zeit eine dicke violette Brummfliege mit metallisch schimmernden Flügeln. Dreimal ließ sie sich auf seiner gerunzelten Stirn nieder, ohne daß er eine Bewegung machte, um sie zu verscheuchen. Ob er sie gar nicht spürte?
    »Das Lästigste ist der Luftzug, den Sie verursachen, wenn Sie durch die Tür hereinkommen«, erklärte er Maigret nach einer Weile. »Ihretwegen habe ich heute schon einmal ein Fetzchen verloren.«
    »Na schön, dann komme ich eben durchs Fenster.«
    Es war nicht als Scherz gemeint. Maigret schwang sich über die Brüstung, sah sich in dem Zimmer um, das ihm als Arbeitsraum diente. Seit dem Vorabend hatte er die Stöße von Akten auf dem Tisch und die von dem Messer durchbohrte Kleiderpuppe auf dem Boden nicht mehr angerührt.
    Das Warten auf das Gutachten, das er selbst angeordnet hatte, stellte seine Geduld auf eine harte Probe und machte ihn rastlos.
    Eine Viertelstunde ging er mit gesenktem Kopf und auf dem Rücken verschränkten Händen in der Brennesselallee auf und ab. Dann schwang er sich über den Fenstersims, trocknete sich das von der Sonne gerötete, von Schweiß triefende Gesicht und brummte vorwurfsvoll:
    »Das dauert aber lange!«
    Moers schien es nicht zu hören. Seine Hände bewegten sich so sicher und präzis wie die einer Maniküre. Das einzige, was ihn zu interessieren schien, waren seine Glasplatten, die sich allmählich mit größeren und kleineren schwarzen Flecken bedeckten.
    Was Maigret am meisten nervös machte, war der Umstand, daß er nichts zu tun hatte, besser gesagt, daß er nichts unternehmen wollte, ehe er wußte, was es mit den in der Mordnacht verbrannten Papieren auf sich hatte.
    Auf seinen Wanderungen durch die Brennesselallee, wo die Sonne sich in den Blättern der alten Eichen verfing, ließ er sich fortwährend die gleichen Gedanken durch den Kopf gehen.
    »Henry und Eléonore Boursang könnten Gallet getötet haben, bevor sie zum Bahnhof gingen … Eléonore könnte ihn allein getötet haben, nachdem ihr Geliebter abgereist war … Doch was ist mit der Mauer! Und diesem Schlüssel! Und diesem Jacob, dessen Briefe Gallet so ängstlich versteckte …!«
    Zehnmal ging er bis zum Parktor und untersuchte das Schloß, ohne etwas Neues zu entdecken. Als er zum elftenmal die Stelle passierte, wo Emile Gallet auf die Mauer geklettert war, faßte er einen Entschluß. Er zog die Jacke aus, steckte die rechte Schuhspitze in das Loch, das er tags zuvor zwischen den Steinen bemerkt hatte.
    Er wog hundert Kilo. Dennoch bekam er mühelos einen herunterhängenden Ast zu fassen. Der Rest war kinderleicht.
    Die Mauer bestand aus rohen, weiß getünchten Bruchsteinen und war von schuppenförmig angeordneten Dachziegeln gekrönt, auf denen dichtes Moos und zähe Grasbüschel wucherten.
    Von hier oben konnte Maigret deutlich sehen, wie Moers sich gespannt über seine Lupe beugte.
    »Wieder etwas gefunden?« rief er hinüber.
    »Ein s und ein Komma …«
    Über Maigret war nun die Krone einer riesigen Buche, die zum Baumbestand des Parks gehörte.
    Die Mauer war nicht sehr breit. Vorsichtig auf den Knien balancierend, befühlte er das Moos.
    »Aha!« murmelte er plötzlich.
    Seine Entdeckung war nicht eben sensationell. Er stellte lediglich fest, daß das Moos an einer einzigen Stelle, dicht oberhalb der Kratzer an der Mauer, zertreten und zum Teil losgerissen war.
    Seine Finger tasteten über die grüne Schicht. Das Moos war so brüchig, daß es keinen Zweifel mehr geben konnte: Emile Gallet hatte hier gestanden, sich aber weder in der einen noch in der anderen Richtung fortbewegt.
    Konnte er auf der andern Seite hinuntergeklettert sein?
    Maigret warf einen Blick in die Runde. Als Park konnte man diesen Teil eigentlich nicht bezeichnen. Das dichte Gehölz, das diesen Platz von allen Seiten abschirmte, war wohl der Grund, weshalb er als Kehrichtablage benutzt wurde.
    Der Abfallhaufen lag etwa zehn Meter von Maigret

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