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Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Titel: Maigret und die Affäre Saint Fiacre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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es, der seinen sich ebenfalls erhebenden Anwalt besänftigte.
    »Lassen Sie es bleiben! Ich habe vom ersten Augenblick an erfaßt, daß der Kommissar mir feindlich gesinnt ist. Und inzwischen habe ich erfahren, daß er eine indirekte Beziehung zum Schloß hat, wo er zu jener Zeit geboren wurde, als sein Vater Gutsverwalter der Saint-Fiacre war. Ich hatte Sie gewarnt, Maître … Sie haben es so gewollt …«
    Die Wanduhr zeigte zehn Uhr. Maigret schätzte, daß Marie Vassilews Zug vor einer halben Stunde im Gare de Lyon in Paris angekommen sein mußte.
    »Entschuldigen Sie mich!« sagte er. »Ich sehe Sie zu gegebener Zeit wieder.«
    »Aber …«
    Er betrat die gegenüberliegende Lebensmittelhandlung, deren Türglöckchen bimmelte. Er wartete eine Viertelstunde auf die Verbindung mit Paris.
    »Stimmt es, daß Sie der Sohn des ehemaligen Verwa l ters sind?«
    Maigret war stärker mitgenommen als durch zehn normale Untersuchungen. Er fühlte sich ganz zerschlagen, sowohl psychisch wie körperlich.
    »Hier Paris …«
    »Hallo! … Das Comtpoir d’Escompte ? … Hier Krim i nalpolizei … Eine Auskunft, bitte … Ist heute früh ein Scheck mit der Unterschrift Saint-Fiacre präsentiert wo r den? … Um neun Uhr, sagen Sie … Und ohne Deckung … Hallo! … Unterbrechen Sie bitte nicht, Mademoiselle … Sehr gut! … Ah, das ist es, was ich wissen wollte … Eine junge Frau, nicht wahr? … Vor einer Viertelstunde? … Und sie hat die vierzigtausend Franc einbezahlt? … Vielen Dank … Selbstverständlich! Zahlen Sie aus! … Nein! Nein, es liegt nichts besonderes vor … Nachdem die Einzahlung erfolgt ist …«
    Und Maigret verließ die Zelle, einen tiefen Seufzer des Verdrusses ausstoßend.
    Maurice de Saint-Fiacre hatte im Lauf der Nacht die vierzigtausend Franc aufgetrieben und dann seine M ä tresse nach Paris geschickt, um das Geld bei der Bank einzuzahlen.
    Als der Kommissar den Laden verließ, sah er den Pfarrer aus seinem Haus kommen und sich, sein Brevier in der Hand, zum Schloß aufmachen.
    Er beschleunigte seine Schritte, begann beinahe zu rennen, um die Eingangstüre gleichzeitig mit dem Priester zu erreichen. Er verfehlte ihn um weniger als eine Minute. Als er den Schloßhof betrat, ging gerade die Türe hinter dem Priester zu. Und als er läutete, waren hinten im Korridor Schritte zu hören, dort, wo sich die Bibliothek befand.

6
    Die zwei Lager
    I
    ch werde nachfragen, ob der Herr Graf …«
    Aber der Kommissar ließ dem Maître d’hôtel nicht die Zeit, seinen Satz zu beenden. Er marschierte den Korridor entlang zur Bibliothek, während der Diener einen resignierten Seufzer ausstieß. Nicht einmal der Schein ließ sich mehr wahren! Die Leute gingen ein und aus, wie es ihnen beliebte! Alles brach zusa m men!
    Bevor er die Bibliothekstüre öffnete, hielt Maigret kurz inne, doch vergeblich, denn er vernahm keinen Laut. Gerade daraus indessen entstand zu seinem Empfang eine besonders eindrückliche Stimmung.
    Er klopfte und überlegte dabei, daß der Priester auch anderswo sein mochte.
    Doch sogleich erklang eine Stimme, sehr klar, sehr bestimmt in der absoluten Stille des Raumes.
    »Herein!«
    Maigret drückte die Türe auf, hielt zufällig gerade über einem Warmluftschacht inne. Stehend, leicht an den gotischen Tisch gelehnt, blickte ihm der Graf de Saint-Fiacre entgegen.
    Neben ihm, den Teppich fixierend, verharrte der Priester in starrer Unbeweglichkeit, als ob eine einzige Geste genügen würde, ihn zu verraten.
    Was taten die zwei da, der eine wie der andere, beide stumm und reglos? Es wäre weniger peinlich gewesen, e i ne pathetische Szene zu unterbrechen als in dieses Schweigen hineinzuplatzen, das so tief war, daß die Stimme darin konzentrische Wellenkreise aufzuwerfen schien, wie ein Kieselstein im Wasser.
    Einmal mehr spürte Maigret die Ermattung Saint-Fiacres. Der Priester seinerseits schien äußerst bedrückt zu sein, und seine Finger zuckten unruhig über das Br e vier.
    »Entschuldigen Sie, wenn ich störe …«
    Die Worte wirkten ironisch und waren doch nicht so gemeint. Denn stört man Leute, die so passiv sind wie Gegenstände?
    »Ich habe Neuigkeiten von der Bank …«
    Der Blick des Grafen wandte sich dem Priester zu, und dieser Blick war erbost, beinahe wütend.
    In diesem Rhythmus sollte die ganze Szene weiterve r laufen. Es war wie wenn Schachspieler, die Stirn in die Hand gestützt, sich den nächsten Zug überlegen, in minutenlangem Schweigen, bis eine Figur verschoben

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