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Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Titel: Maigret und die Affäre Saint Fiacre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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wird, worauf alle Bewegung wieder aufhört.
    Doch hier war es nicht Überlegung, die derart hemmend wirkte. Maigret glaubte fest, daß es vielmehr Angst vor einer falschen Bewegung, einem ungeschickten M a növer war. Zwischen ihnen drei gab es etwas Unbestimmtes. Und jeder verschob seine Schachfiguren nur wide r strebend, bereit, sie gleich wieder zurückzuziehen.
    »Ich bin hergekommen, um Anweisungen für die Trauerfeierlichkeiten einzuholen!« fühlte sich der Priester zu erklären genötigt.
    Das war nicht die Wahrheit! Ein schlechter Zug! So schlecht, daß der Graf de Saint-Fiacre lächelte.
    »Ich habe Ihren Anruf bei der Bank vorausgeahnt!« sagte er. »Und ich will Ihnen gleich eingestehen, weshalb ich mich zu dieser Maßnahme entschloß, nämlich, um mir Marie Vassilew vom Hals zu schaffen, die hier im Schloß bleiben wollte. Ich redete ihr ein, es sei von größter Wichtigkeit …«
    In den Augen des Priesters erkannte Maigret diesmal Beklommenheit, Mißbilligung.
    ›Unglücklicher!‹ mußte er denken. ›Er verfängt sich! Er geht in die Falle. Er ist verloren …‹
    Stille. Das Knistern eines Streichholzes, dann Wolken von Pfeifenrauch, die der Kommissar eine nach der anderen ausstieß, indessen er sich erkundigte:
    »Hat Gautier das Geld aufgetrieben?«
    Momentanes Zögern, ganz kurz.
    »Nein, Kommissar … Ich werde Ihnen erklären …«
    Nicht auf dem Gesicht Saint-Fiacres spielte sich das Drama ab, sondern auf dem des Pfarrers! Er war blaß, sein Mund bitter verzerrt. Er rang um Beherrschung, um sich nicht einzumischen.
    »Hören Sie, Monsieur …«
    Er ertrug es nun doch nicht länger.
    »Wollen Sie bitte diese Unterhaltung unterbrechen, bis wir die Möglichkeit zu einer Besprechung unter vier Augen hatten! …«
    Dasselbe Lächeln wie vorhin lag auf Maurices Lippen.
    In der allzu geräumigen Bibliothek, auf deren Regalen die schönsten Bücher fehlten, war es kalt. Ein Feuer war im Kamin vorbereitet. Man brauchte es bloß anzuzü n den.
    »Haben Sie ein Feuerzeug oder …«
    Und während der Graf sich über den Kamin beugte, warf der Priester Maigret einen tiefbekümmerten Blick zu.
    »Und nun«, sagte der Graf, sich wieder zu den zwei anderen Männern gesellend, »nun werde ich mit wenigen Sätzen darlegen, wie es steht. Aus einem mir noch unbekannten Grund ist der Herr Pfarrer, der die besten Absichten hat, davon überzeugt, daß ich es bin, der … warum vor den Worten zurückscheuen? … der meine Mutter umgebracht hat … Denn das, was geschah, war Mord, nicht wahr? Auch wenn er gesetzlich nicht erfa ß bar sein sollte …«
    Der Priester regte sich nicht mehr, verharrte in jener zi t ternden Erstarrung eines Tieres, das Gefahr über sich hereinbrechen sieht und sich nicht dagegen wehren kann.
    »Unser Herr Pfarrer muß meiner Mutter sehr ergeben gewesen sein … Er wollte zweifellos verhindern, daß ein Skandal das Schloß heimsucht … Gestern abend hat er mir durch den Mesner vierzig Tausendfranc-Noten überbringen lassen, samt einer kurzen Botschaft.«
    Und der Blick des Priesters sagte unmißverständlich: ›Unseliger! Sie bringen sich ins Verderben!‹
    »Hier ist das Briefchen!« fügte Saint-Fiacre hinzu.
    Maigret las halblaut: »Seien Sie vorsichtig. Ich bete für Sie.«
     
    Ah! Es wirkte wie ein Schwall frischer Luft. Sogleich fühlte sich Maurice de Saint-Fiacre befreit, nicht mehr zu Unbeweglichkeit verurteilt. Sogleich verlor er auch jenen steifen Ernst, der seinem Temperament nicht en t sprach.
    Er begann, hin und her zu gehen, sprach wieder gelöster.
    »Und das, Kommissar, ist der Grund, weshalb Sie mich heute früh um Kirche und Pfarrhaus herumstreichen sahen. Die vierzigtausend Franc, die selbstverständlich als Darlehen zu betrachten sind, wurden von mir vor allem akzeptiert, damit ich meine Mätresse – verzeihen Sie, Herr Pfarrer! … loswerden konnte, sodann, weil es für mich ausgesprochen unerfreulich gew e sen wäre, zum jetzigen Zeitpunkt verhaftet zu werden … Aber was stehen wir da alle herum, wie … Setzen wir uns doch, ich bitte Sie …«
    Er ging die Türe öffnen, horchte nach Geräuschen im oberen Stock.
    »Das Defilee am Totenbett fängt wieder an«, murmelte er. »Ich glaube, ich muß nach Moulins telefonieren, damit ein Raum zur feierlichen Aufbahrung hergerichtet wird …«
    Dann, übergangslos:
    »Ich nehme an, daß jetzt alles klar ist! Nachdem ich das Geld akzeptiert hatte, blieb mir noch, dem Pfarrer zu schwören, daß ich nicht schuldig bin.

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