Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Makroleben

Makroleben

Titel: Makroleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Zebrowski
Vom Netzwerk:
Morgendämmerung sich über den Kontinent bewegte, um auf das Fenster von Janets Schlafzimmer zu treffen, wie sie die Wüste erleuchtete und den Schnee auf den Bergen zu gleißender Helligkeit erstrahlen ließ, den Bergen, die den Himmel stützten.
    Es wurde ihm klar, daß ein Teil von ihm tot war, jener Teil, der ihn mit seinem Bruder verbunden hatte.

 
4. Der Zerstörer
     
    In dem Wagen, der unter den Sternen durch die Wüste fuhr, stellte sich kaum ein Gefühl von Geschwindigkeit ein. Sam lehnte sich zurück und sah in die mondlose Juninacht hinauf. Am Rand seines Gesichtsfelds glühte unten auf der Konsole ein grünes Licht auf, das ihm mitteilte, daß die Handsteuerung verriegelt war, bis die Santa-Fé-Zentrale ihn von der Straße entließ. Nur das unvermittelte Vorbeihuschen eines Schilds oder eines Kaktus erinnerte ihn daran, daß er mehr als zweihundert Meilen in der Stunde fuhr, aber das war mit dem Zug verglichen noch langsam, der einen in weniger als fünf Stunden durch den Kontinent transportierte; die Orbitalfähre hätte es in einer Stunde geschafft, aber er dachte wie Orton gern über sein Ziel nach, bevor er es erreichte.
    Die Nacht war eine Eisenglocke, die Raum und Zeit in ihrer Gesamtheit in sich trug, die Kuppel einer leeren Kathedrale, deren Lichter man brennen lassen hatte. Er stellte sich das noch nie gesehene Zentrum der Galaxis vor, den fernen Altar, wo, so hieß es, ein massives Schwarzes Loch, ein dunkler Ausgang aus dem bekannten Universum lag. Dort umkreisten Sonnen und staubige Wolken das Auge des galaktischen Mahlstroms und verstrahlten verlorene Energie, während sie hineingezogen wurden.
    Er dachte an seinen eigenen Tod, an den Tod all derer, die er kannte, den Durchgang der Menschheit durch die historische Zeit. Was sind wir? dachte er. Was ist noch übrig? Alles ist vor uns verborgen, als sei es Absicht.
    Der Wagen wurde langsamer, und zwei andere Wagen schossen auf der äußersten rechten Spur an ihm vorbei. Er fuhr bei der Ausfahrt 99 von der Schnellstraße ab und hielt am Ende einer leuchtenden gelben Linie an.
    Der Sitz kam mit ihm hoch, als er sich aufrichtete. Er zog das Steuerrad heraus, verriegelte es und setzte den Wagen langsam in Gang.
    Er fuhr zwei Meilen weit auf der alten gepflasterten Straße, bis er an der Einfahrt abbog. Als er auf der Schotterstraße zwischen den gepflanzten Bäumen dahinfuhr, dachte er daran, daß er vor langer Zeit von diesem Haus als Jacks und später als Janets Haus gedacht hatte; er würde nie das Gefühl haben, es gehöre ihm.
    Er hielt vor dem Balkon an, schaltete den Wagen ab, stieg aus und ging zu dem Nachteingang unter dem Balkon hinüber. Er drückte seine Handfläche gegen das Verschlußpaneel; es leuchtete auf, und die Tür öffnete sich.
    Er trat in die Eingangshalle und ging durch das schwach beleuchtete Wohnzimmer, als sich die Tür hinter ihm schloß. An der Bar holte er sich eine kleine Flasche Orangensaft aus dem Kühlfach, riß den Verschluß ab und trank den Saft.
    Er gab dem Impuls, Janet zu wecken, nicht nach. Alles schien mit einemmal am Rand eines Abgrunds zu stehen. Ihre Leben schienen wie zarte, zerbrechliche Gegenstände in der Stille des Morgens zu schweben.
     
    Er wartete in der Stille, dachte an Janet und gestand sich ein, daß er ohne jede Frage nach ihr verlangte. Es würde ein Leben für sie geben, ein ruhiges, persönliches Leben. Er würde neue Bücher schreiben, die alten überarbeiten, ihnen Endgültigkeit verleihen. Richard würde wie ein Sohn seinen eigenen Weg machen.
    Der arme Orton, dachte er. Er hat niemanden …
    „Sam“, sagte Janet wie aus weiter Ferne. „Du hast dich hereingeschlichen und mich nicht geweckt.“
    Er öffnete die Augen. Tageslicht durchflutete das Gästezimmer, und Janet saß in einem roten Kleid auf der Bettkante. Er bemerkte, daß er die Falten in ihrem Gesicht und den vom Schlaf leicht verknitterten Gesamteindruck ignorierte. „Ich muß eingeschlafen sein“, sagte er und fragte sich, wie er wohl in ihren Augen aussah.
    „Sam …“ Er richtete sich auf und umarmte sie. Sie fielen zurück, und er küßte sie lange.
    Sie richtete sich wieder auf. „Ich sehe scheußlich aus. Wer würde mich schon so küssen wollen?“
    „Ein alter Narr wie ich.“ Er begann, an ihrem Arm zu ziehen.
    „Mir ist es egal, wie alt du bist“, sagte sie.
    „Ich bin sechsundfünfzig.“
    „Sei nicht altmodisch. Sechsundfünfzig ist das, was vor einem halben Jahrhundert vierzig war.“
    „Irgend

Weitere Kostenlose Bücher