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Makroleben

Makroleben

Titel: Makroleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Zebrowski
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nachdem er sich an körperliche Anstrengungen gewöhnt hatte, war die einzig sichere Methode, seine Beschwerden und Schmerzen loszuwerden, sich zu bewegen und weiterzuarbeiten, zumindest solange die Sonnen hoch genug standen, um ihn aufzuwärmen. Die Nächte waren kalt. Ein Feuer wärmte einen menschlichen Körper immer nur von einer Seite. Anulka machte ihm mit Tritten deutlich, daß sie ihn nachts nicht in ihrer Nähe haben wollte. Seine einzige Befriedigung war die Tatsache, daß er nur minimale Hilfe von der Heimat in Anspruch genommen hatte, obwohl es eine Leichtigkeit gewesen wäre, sich eine tragbare Unterkunft zu beschaffen, statt eine Hütte zu bauen.
    Er hatte es sich angewöhnt, während des heißesten Teils des Tages in dem Bach zu baden. Der größte Teil der Männer rasierte sich mit langen Messern, und der Rest trug Barte. Niemand glaubte ihm, daß er sich nicht zu rasieren brauchte. Anulka schien zu glauben, daß er dafür hoch zum Gleiter ging, und sie ließ sich davon nicht abbringen. Die Bartträger fanden die Auseinandersetzung äußerst witzig. Ihr ständiges Gelächter bei der Erwähnung seiner Haarlosigkeit wurde ihm mehr und mehr lästig. Haar, der Besitz von Kindern und eine gewisse Kapazität für Gewalttätigkeit galten hier als Zeichen für Männlichkeit. Langsam gewöhnten sich die Dorfbewohner daran, ihn als eine Art von besuchendem Neutrum zu betrachten. Er war weder Mann noch Frau, sondern eine Art kleiner Götterlehrling, dessen Fähigkeiten sich auf das Fliegen zu beschränken schienen. Ich bin ein Eindringling, dachte er. Ich werde nie hierher gehören, weil ich weiß, daß ich jederzeit weggehen kann.
    Unter ihm kauerte sich das Dorf in einem Kreis von großen Felsen, dreißig Holzhütten, die sich wie eine Pilzkolonie an einen Schutz drängten. Jeder grob behauene Baumstamm stand für endlose Stunden von Anpassung mit der Hand und Abdichtung mit Lehm. Bäume und Gebüsch wuchsen zwischen den Felsen und boten durch ihre Blätter zusätzlichen Schutz. Im Herbst rollten sich die dreieckigen Blätter zusammen und bildeten feste, mit einer süßen Pastete gefüllte Würste. Sie lieferten zusammen mit dem Fleisch, das in der Räucherkammer gelagert wurde, und den Nüssen von dem Brotbusch genug Nahrungsmittel, um über den Winter zu kommen. Die Dorfbewohner waren über diese Leistung sehr stolz und zufrieden. Die letzten Winter hatten einem Drittel der kleineren Kinder und der Hälfte der älteren Leute das Leben gekostet.
    Er setzte sich mit den Bergen im Rücken auf einen riesigen, flachen Felsen und ließ die Beine über die Kante hängen. Die baumbestandenen Hügel des Vorgebirges senkten sich vor ihm zu den Ebenen in der Ferne. Im Südosten über die staubige Steppe lag die Stadt, in der er vor mehr als sechs Monaten Anulka getroffen hatte. Es war nun schon bald ein Jahr her, seit seine Welt in den Sonnenraum Leas eingedrungen war, um sich dort fortzupflanzen.
    Die Sonnen verdunkelten sich und zeigten damit den Mittag an. Ein Teil der Spätsommerwärme verschwand aus der Welt. Die Verminderung des Lichts ließ ihn sich auf dem Felsen nackt vorkommen. Er erinnerte sich an die Nacht und zitterte in seiner Pelzjacke, die er über seinem Overall trug. Der Gedanke an den Winter ließ ihn dankbar die Wärme des Steins genießen.
    Die nackten Tatsachen des Lebens auf Lea hatten in ihm einen nervösen Druck geschaffen, denn jedes kleine Detail löste eine Reaktion aus. Die Pelzjacke hatte Anulkas Vater gehört. Drei ihrer Brüder und eine Schwester waren bei der Geburt gestorben. Bei einer Bevölkerungsstärke von zweihundert Menschen gab es nur ein Dutzend Kinder, die zwischen fünf und zehn Jahre alt waren. In den Augen der Kinder stand bereits der gleiche Ausdruck der Ergebenheit in eine Welt, die sich nie ändern würde, wie bei ihren Eltern. Eines Tages hatte er den Wunsch verspürt, die Kinder in dem Gleiter mit nach Hause zu nehmen, nur um die Veränderung an ihnen zu sehen, nachdem sie einige Monate weg von dem Planeten gelebt hatten.
    Jedes Paar in dem Dorf war gekommen und hatte sich die Hütte angesehen, nachdem er sie fertiggebaut hatte. Nach den Besuchen hatte er erfahren, daß er und Anulka Mann und Frau waren. Der Bau und der Besuch waren die Zeremonie gewesen. Anulkas Mutter kam tagsüber zum Kochen und Putzen, und abends ging sie in ihre eigene Hütte zwei Häuser weiter.
    Die Zeit verging hier mit einer langsamen Mühseligkeit, als sei sie drauf und dran, zum Stillstand

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