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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio M. Mancini
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Schweinereien auf dem Bildschirm breitzutreten? Ich frage mich schon seit langem, weshalb man einem Moderator wie Ihnen trauen soll, der seine moralische Betroffenheit aus dem Konsum von Koks und russischen Prostituierten herleitet?«
    »Hört, hört!« Sandolo lachte. »Schlagfertig ist der Comandante auch noch!« Trotz des leichten Tons konnte d’Aventura in der Stimme des Reporters so etwas wie Verunsicherung hören. Scheinbar hatte er ihn an einer empfindlichen Stelle getroffen.
    Wieder ertönte draußen vom Flur eine Stimme.
»Il Capo …!«
    Sekunden später rauschten Ponti und Minetti mit gewichtigen Mienen in die Kommandozentrale, stiegen über Kabelstränge und duckten sich unter mobilen Beleuchtungsschirmen durch.
    »Ah!«, rief Minetti wichtigtuerisch. »Da ist er.« Er deutete auf seinen Kommandanten.
    D’Aventura hatte sich auf einen der Sessel fallen lassen, als Staatsanwalt und Questore den Raum betreten hatten. Während Minetti seine Uniform mit beiden Händen glattstrich, seine Bügelfalten kontrollierte und den Glanz seiner schwarzen Schuhe überprüfte, trat Procuratore Ponti an d’Aventuras Seite. »Ich weiß, die Veranstaltung nervt. Tun Sie mir trotzdem den Gefallen, lassen Sie sich nichts anmerken und versuchen Sie, ein freundliches Gesicht zu machen! Wenigstens während des Interviews. Und bitte …« Der Procuratore sah d’Aventura streng an und sagte leise: »Nur Allgemeines! Keine polizeitaktischen Interna, keine vertraulichen Informationen!« Er lächelte aufmunternd und gab d’Aventura einen vertraulichen Klaps auf die Schulter. »Sie machen das schon!«
    »Für wen halten Sie mich?«, begehrte d’Aventura auf.
    Sandolo schob sich zwischen die beiden. »Also, Comandante, Sie werden jetzt berühmt«, begann er. »Bevor wir mit dem Interview beginnen, will ich Ihnen kurz den Ablauf erklären. Sie erzählen mir in kurzen Worten ein wenig über die Situation in Sizilien und die Schwerpunkte Ihrer Arbeit. Danach stelle ich Ihnen einige Fragen. Ich kommentiere Ihre Antworten noch einmal. Das Ganze werden wir morgen im Abendprogramm senden. Haben Sie alles verstanden?«
    »Und jetzt hören Sie mir einmal genau zu, Rodolfo aus Milano!« D’Aventura machte eine bedeutungsvolle Kunstpause und baute sich bedrohlich vor dem Fernsehmoderator auf. »Die Scheinheiligkeit Ihrer Reportagen übertrifft jeden Horrorfilm – und das alles im Namen journalistischer Pflichterfüllung. Mir graut vor euch Medienmachern ebenso wie vor der Gedankenlosigkeit angeblich zivilisierter TV -Konsumenten.«
    Staatsanwalt Ponti war mit wenigen Schritten zu d’Aventura geeilt und zog ihn am Jackenärmel beiseite. »
Madonna mia
, d’Aventura! Nehmen Sie sich zusammen! Erzählen sie ihm etwas Schönes von Sizilien!«
    »Er kriegt von mir ganz gratis eine Lehrstunde, was ihn hier in Palermo oder, besser gesagt, in Sizilien erwartet.«
    »Da bin ich aber gespannt!« Sandolo, der unbemerkt herangetreten war, lächelte hochmütig. Mit verschränkten Armen wandte er sich seinem Fernsehstab zu, als sei er der Star einer bedeutenden Veranstaltung. »Dann bringen Sie mir mal etwas bei, Comandante!« Seine herablassende Miene, die er dabei aufsetzte, provozierte d’Aventura aufs äußerste.
    Wie eine schwere Maschine stampfte d’Aventura zu einem Sessel und ließ sich hineinfallen. Man sah es ihm an, dass er versuchte, seinen Zorn hinunterzuschlucken. Er fingerte in seiner Jackentasche nach einer Schachtel Lucky Strike und steckte sich eine Zigarette an. Gierig inhalierte er den Rauch und blies eine lange Fahne zur Decke.
    »Waren Sie jemals in einem dieser Bergdörfer?«, fragte er dann unvermittelt sanft. »Wissen Sie überhaupt, wo Sie sich gerade befinden? Kennen Sie Prizzi, Bisaquino oder Vicari? Haben Sie sich je in Nester wie Corleone, Camporeale oder Cacciomo verirrt? Wenn nicht, dann sollten Sie das schleunigst nachholen.«
    »Was ist an den Orten so Besonderes?«, fragte Sandolo aufreizend.
    »Nichts. Es sind graue, gesichtslose Bergdörfer zwischen müllübersäten Hängen, umgeben von Betonskeletten angefangener, aber nie vollendeter Schwarzbauten. Verkehrsschilder sind durchsiebt von Schüssen, und an den Brunnen der Dorfplätze zapfen Bewohner ihr Trinkwasser in Kanister oder Flaschen ab. Gelangweilte junge Männer fahren stundenlang mit ihren Mopeds im Kreis umher.«
    »Aha«, sagte Sandolo, als verstehe er, was d’Aventura sagen wollte.
    »Hier in den Bergen regieren und residieren nach wie vor die Paten.

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