Mala Vita
verrückt, hier so etwas zu behaupten?«
Dann wandte er sich abermals an Sandolo: »Comandante d’Aventura ist manchmal ein wenig ruppig. In seinem Eifer trifft er nicht immer den richtigen Ton. Sehen Sie ihm das nach! Ansonsten ist er ein hervorragender Kriminalist. Der Bürgermeister von Prizzi, Signor Santorini, aber, und das möchte ich betonen, ist über jeden Verdacht erhaben.«
»Ja, ja …!« D’Aventura lachte. »Wenn er könnte, würde er den Betrag für den Kauf der Stimmen als Kosten bei der Steuer geltend machen. Wollen Sie etwa bestreiten, dass die Partei der Mafia den Boden bereitete, um sich neue Geschäftsfelder zu erschließen? Inzwischen tummeln sich die ehrenwerten Signori im internationalen Waffenhandel ebenso erfolgreich wie bei der Vermarktung von Drogen und der Ausplünderung von EU -Fördertöpfen.«
»Madonna mia«,
jammerte Minetti und blickte demonstrativ gen Himmel, als wolle er dort um Hilfe bitten. »Um Gottes willen, senden Sie das bloß nicht«, bat er Sandolo, und an d’Aventuras Adresse gerichtet sagte er halblaut: »Bleiben Sie auf dem Teppich! Die Partei ist nicht schuld daran, das es Typen wie Cardone oder Sforzano gibt!«
Staatsanwalt Ponti, der sich bislang im Hintergrund gehalten hatte, konnte sich ein zustimmendes Grinsen nicht verkneifen, machte aber – von den anderen unbemerkt – eine Handbewegung, die d’Aventura signalisieren sollte, er möge sich ein wenig bedeckter halten.
Dieser warf Ponti einen ärgerlichen Blick zu und nahm Sandolo erneut ins Visier. »Um auf Ihre Frage zurückzukommen, Sforzano ist einer der gelangweilten und perspektivlosen Männer. Er stammt, wie gesagt, hier aus der Gegend und ist hier groß geworden. Und wie Sie sicher bemerkt haben, stehen hier keine Häuser, sondern es hängen Schwalbennester in den Felsen. In tausend Meter Höhe krallen sie sich in den Steilhang, und nur Touristen kämen auf die Idee, diese traurigen Behausungen mit dem Begriff pittoresk zu beschreiben. Wenn Sie nach Prizzi, Giuliana oder Campofelice fahren, sich dort umsehen und nach dem Mörder Sforzano fragen, kriegen Sie eine Gänsehaut, denn die Menschen sind so verschlossen und abweisend wie eine Betonmauer.«
»Woher Sforzano auch immer stammen mag«, wetterte Minetti, »wir werden ihn schnell haben, Signor Sandolo. Dann ist die Sache abgeschlossen. Verhör, Aussage, Geständnis, Gefängnis. So läuft das und nicht anders.«
D’Aventura zog unwillig seine Augenbrauen zusammen. Die überhebliche Selbstherrlichkeit des kleinen Wichtigtuers ging ihm auf die Nerven, und es kostete ihn sichtlich Überwindung, ruhig zu bleiben. »Wie kommen Sie zu dieser Mutmaßung, verehrter Questore? Sie wissen ja, wer Sforzanos Onkel ist.«
»Das ist mir offen gestanden einerlei. Der Mörder steht fest. Die Fahndung nach ihm läuft auf vollen Touren, oder irre ich mich?«
»Der Onkel heißt Santorini. Sforzano hat auf idiotische Weise die ehernen Gesetze der Mafia gebrochen. Er war so dämlich, sich filmen zu lassen, während er Cardone die Luft abdrehte. Damit dürfte ziemlich klar sein, dass wir ihn nicht finden werden – jedenfalls nicht lebend. Onkel Santorini wird das wahrscheinlich persönlich in die Hand nehmen.«
Sandolo starrte d’Aventura verblüfft an. Zum ersten Mal schien er von den Worten des Comandante beeindruckt. »Tatsächlich?«
»Tun Sie doch bitte nicht so naiv!« D’Aventura drückte seine aufgerauchte Zigarette im Aschenbecher aus und seufzte schwer.
»Aber das kann ich so nicht senden, Signor d’Aventura!«
»Das sollen Sie auch nicht!«, antwortete der Comandante brüsk. »Stattdessen können Sie meine Meinung zu dem ganzen Fall Ihrem werten Publikum durchaus zum Besten geben. Der kleine Dreckskerl hat einen Mann umgebracht, der für die ehrenwerte Gesellschaft die Finanzen geregelt hat und möglicherweise ein wichtiger Zeuge gewesen wäre. Wir hätten mit ihm die Mafia empfindlich treffen können. Keine Ahnung, was in Sforzanos dämlichem Hirn vorgegangen ist, als er sich hat filmen lassen. Vielleicht dachte er, auf diese Weise ein großer Fernsehstar zu werden, so nach dem Motto: Ich bewerbe mich in der neuen Reality-Show. Italien sucht den geilsten Supermörder! Das sind doch im Augenblick die Quotenrenner Ihres Senders, nicht wahr?«
»Sie sind verrückt, d’Aventura!«, raunzte Minetti.
»Bin ich nicht«, erwiderte d’Aventura wütend. »Sehen Sie sich unsere Unterhaltungssendungen einmal an! Einige Sender in unserem Lande sind
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