Mala Vita
unermesslichen Gelder aus dem Drogenhandel, aus dubiosen Bauaufträgen, aus Geschäften jeglicher Art.
Minuten später kam Don Massimo ein wenig außer Puste zum Wagen zurück, stellte eine edle Einkaufstüte auf den Beifahrersitz und setzte sich schnaubend wieder in den Fond. »Es kann weitergehen«, keuchte er kurzatmig. »Die Luft da draußen ist unerträglich. Hoffentlich ist es auf der ›Alexandra‹ ein wenig angenehmer!«
Santorini grinste unverschämt. »Wenn du ein wenig abspecken würdest, käme es dir nicht so heiß vor. Du solltest mehr Joghurt essen.«
»Und du weniger qualmen«, brummelte Massimo.
Der Chauffeur startete das schwere Fahrzeug und reihte sich wieder in den Verkehr ein. An der Piazza Marina öffnete sich das Blickfeld auf die endlose Lichterkette entlang der Küste des Tyrrhenischen Meers. Bald hielt die luxuriöse Limousine mitsamt den Begleitfahrzeugen vor dem imposanten Eingang des Grand Hotels »Villa Igiea«.
Ehe der Portier herbeieilen konnte, um den Wagenschlag zu öffnen, standen die Leibwächter aus den Begleitfahrzeugen am Wagen der Dons, um ihnen beim Aussteigen behilflich zu sein. Die Mienen der beiden Männer strahlten Stolz und Selbstbewusstsein aus, wohl wissend, dass man sie in den berühmten Hotel als Gäste hoch schätzte. Flankiert von vier breitschultrigen Männern, die in ihrer Umgebung jede Person und jede Bewegung wahrzunehmen schienen, durchquerten sie das prächtige Foyer des Hotels, dessen Gediegenheit und Luxus Weltruhm genoss. Für die Gäste, die instinktiv zur Seite traten, um der martialisch wirkenden Gruppe Platz zu machen, boten sie einen befremdlichen Anblick. Santorini und Massimo steuerten die Hotelbar an und tranken noch einen Espresso, bevor sie sich auf den Weg zu Don Grassos Jacht machten. Die bulligen Leibwächter warteten in Achtung gebietender Entfernung und beobachteten misstrauisch das Kommen und Gehen im Hotel.
»Die Gäste der ›Alexandra‹ sind vor wenigen Minuten aufgebrochen«, bemerkte einer der Kellner an der Hotelbar.
Massimo nickte und trank seine Tasse mit einem Schluck leer. »Dann wollen wir die Herrschaften nicht warten lassen«, brummte er.
Die »Alexandra«, eine Fünfundvierzig-Meter-Luxusjacht, gebaut von der in Viareggio ansässigen Benedetti-Werft, lag in Festbeleuchtung etwa zweihundert Meter außerhalb des hoteleigenen Hafens vor Anker. Ihre schnittige Schönheit kam im hellen Licht gut zur Geltung und bot den Hotelgästen auf der Terrasse eine großartige Kulisse. Die parkähnliche Anlage des Hotels im Schatten von Pinien und schwarzernsten Zypressen erhob sich auf einem sanften Hügel über dem Wasser, entrückt vom Getriebe und Lärm der Stadt. Herb duftende Buchsbaumhecken begrenzten das weitläufige Areal, zwischen denen goldrot Granatäpfel glühten. Es war ein Ort, der das Gefühl vermittelte, endlich allein mit sich sein zu können, mit sich, seinen Gedanken und seiner Seele.
Eine lange, schmale Steintreppe führte hinunter zum Bootshafen. Die Barkasse des Hafenmeisters wartete am mit Mahagonidielen ausgelegten Schiffsanleger. Mehrere kleine Holzboote lagen vertäut daneben und schaukelten auf dem träge schwappenden Wasser.
Aus den Augenwinkeln nahm Massimo einen alten Kahn wahr, dessen Bootslack schon bessere Tage gesehen hatte. Im Inneren türmten sich grobmaschige Netze. Traniger Geruch wehte in des Paten Nase. Der Fischer, vermutlich der Besitzer, saß rauchend in gebeugter Haltung auf dem Bootsrand und blickte mit zusammengekniffenen Augen hinüber zur »Alexandra«. Massimo beobachtete für einen Moment den alten Mann, der scheinbar zufrieden mit sich und der Welt die Abendstimmung genoss. Für einen Wimpernschlag sah man im Gesicht des Paten einen melancholischen Zug, als erinnere er sich an vergangene Tage seiner Kindheit. Tief sog er die Luft ein.
»Tutto bene?«,
rief er dem Fischer zu.
Der Alte lachte und zeigte dabei ein halbes Dutzend brauner Zahnstummel. Mit seiner knotigen Hand machte er eine einladende Geste, als wolle er sagen: Setz dich neben mich! Doch Massimo winkte mit einem gequälten Lächeln ab.
»Was machst du denn?«, krächzte Santorini. »Wir müssen los!«
Der schwergewichtige Don schien aus seiner Erstarrung zu erwachen und watschelte zur Barkasse. Unsicher schwankte er über die schmale Gangway und ließ sich schwer atmend auf eine hölzerne Sitzbank nieder. Die vier Leibwächter der Paten versammelten sich am Heck, rauchten und unterhielten sich leise.
Weithin
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