Mala Vita
noch nicht gelungen, auch noch die größte Tageszeitung unter seine Kontrolle zu bringen. Wie dem auch sei, im Augenblick haben wir Wichtigeres zu erledigen. Grasso braucht die neuesten Zahlen der Off-Shore-Firmen.« Massimo starrte brütend aus dem Fenster und nahm erneut einen Schluck. »Hoffentlich meldet sich Ruffo bald! Ich habe keine Lust, von Grasso einen Anschiss zu kriegen. Er möchte mit guten Zahlen glänzen und den Beiratsmitgliedern bei dieser Gelegenheit mitteilen, in welchem schönen Hafen unsere Vermögen in Zukunft Früchte tragen sollen.«
Don Santo nickte ernst. »Sobald Gallerte und Ruffo die Sache über die Bühne gebracht haben, werden sie sich melden. Im Augenblick müssen wir uns noch gedulden. Sie sind vor ein paar Stunden in Brisbane gelandet. Schneller war es einfach nicht zu machen. Morgen fliegen sie weiter.«
»Wieso erst morgen?«, knurrte Don Massimo ungehalten. »Das wird verdammt knapp. Hast du ihnen nicht klargemacht, wie dringend die Sache ist? Ich hoffe nicht, dass die beiden glauben, wir hätten ihnen einen Urlaub gebucht.«
»Der Pilot musste einen Tag Ruhepause einlegen. Die Flugsicherung ist ziemlich pingelig. Außerdem musste der Jet betankt und durchgecheckt werden.«
Von Don Massimos undurchdringlicher Miene war nicht abzulesen, was er dachte. »Wir sind ziemlich in Zeitnot. Don Grasso erwartet, dass wir ihm Vollzug melden, wenn wir an Bord kommen. Du weißt, wie unangenehm der
patrone
werden kann, wenn etwas nicht klappt. Ich will in der Sache gut dastehen.«
»Mach dir nicht in die Hosen!«, murrte Don Santo verärgert. »Deine ständigen Bedenken gehen mir auf die Nerven. Gallerte und Ruffo haben Don Grassos Vertrauen. Meines übrigens auch. Sie sind zuverlässig, und sie haben mich noch nie enttäuscht. Außerdem sprechen sie fließend Englisch. In dieser Situation hätten wir niemand anderen losschicken können. Dafür werden auch die Dreizehn Verständnis aufbringen müssen. Ich habe vor einer Stunde mit den beiden telefoniert. Wenn Geoffrey Gee & Partners den Auftrag zur Überweisung haben, sind die Transfers nach Saint Lucia in maximal einer Stunde erledigt. Die beiden werden uns informieren, sobald sie sich bei der Westpac Bank davon überzeugt haben, dass die Transfers auch tatsächlich ausgeführt worden sind.
Questo, noi vediamo domani«,
murmelte Don Santo. »Lass uns gehen! Wir treffen uns morgen um die gleiche Zeit hier im ›
Bel Soggiorno
‹.«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, polterte Massimo. »Im Augenblick bin ich ein wenig dünnhäutig. Don Grasso ist verdammt sensibel seit der Geschichte mit Cardone.«
Die Männer erhoben sich und verließen das Lokal.
Vierundzwanzig Stunden später wurden die zwei ehrenwerten Signori vor der Pizzeria von mehreren Männern erwartet und durch das Zentrum von Prizzi begleitet. Misstrauisch beobachteten die Leibwächter alles, was auf der Straße vorging, als rechneten sie jederzeit mit einem Angriff. Sie nahmen die beiden Paten in die Mitte, wobei sie stets einen respektablen Abstand einhielten. Sie trugen grausame, gewalttätige Mienen zur Schau, die Augen hinter verspiegelten Sonnenbrillen versteckt. Ihr Auftritt demonstrierte für jedermann sichtbar den Machtanspruch der ehrenwerten Familie und der beiden Paten.
Den Fußweg zur Chiesa di San Francesco legte die Gruppe in einigen Minuten zurück. Auf der Piazza vor der Kirche parkten abfahrbereit drei dunkelblaue Mercedes-Limousinen. Während einer der Männer den Wagenschlag des in der Mitte stehenden Fahrzeuges aufriss, damit die Dons Platz nehmen konnten, stiegen die anderen in die Begleitfahrzeuge. Der Chauffeur im Auto der Paten, dessen Motor bereits lief, fuhr sofort los. Er kannte das Ziel. Vor und hinter ihnen fuhr je ein Wagen des Begleitschutzes, nicht nur, um eventuelle Gefahr zu begegnen, sondern auch, um Machtfülle zu demonstrieren.
»Wenn wir in Palermo sind, fahre erst in die Via Ruggero Settimo, ich brauche noch ein Dinnerjackett«, wies Don Massimo den Fahrer an. »Ich steige an der Ecke aus.« Zu seinem Freund gewandt raunte er: »Wir wollen doch bei der Party wenigstens einen guten Eindruck hinterlassen! Brauchst du auch noch etwas?«
Santorini brummte ablehnend und sah aus dem Seitenfenster. »Meine Abendgarderobe habe ich gestern schon auf die ›Alexandra‹ bringen lassen.«
Die Straße wand sich in langgezogenen Kurven durch eine urwüchsige, wilde Gebirgswelt, vorbei an trostlosen Gehöften und trutzigen Bergdörfern, in denen die
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