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Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Titel: Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonino Benacquista
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viel zeigte, ihre Scheu, nackt zu posieren, ihre Verletzbarkeit, die nur der in ihrem Blick bemerkte, der genau hinsah. Frauen, die nicht hochmütig waren, die sich für alles interessierten und die sich über ein Nichts freuen konnten, gab es auch heute noch. Das wusste Donny. Die Pin-ups von heute aber blickten abfällig ins Kameraobjektiv. Unbefangen war keine mehr. Diese Mädchen wollten nur bestaunt werden, möglichst von Millionen von Männern, die sich für Kenner und Genießer hielten und daher so viel nacktes Fleisch zu schätzen wussten. Auf dem Gesicht von Linda Mae Barker spürte man die Herausforderung, die sie angenommen hatte. Sie posierte vor ganz Amerika, und zwar nackt. Ein Sieg – das verriet der Glanz in ihren Augen.
    Aber auch der Rest ihres Körpers, ab den Schultern, spiegelte auf erstaunliche Weise diese Bescheidenheit wider, die Donny so sehr verwirrte. Ach, da waren Linda Mae Barkers Brüste! Obwohl sie herausstachen, waren sie kaum aufreizend, beinahe spröde, er suchte nach einem Wort, um sie zu beschreiben. Da ihm kein besseres einfiel, nannte er sie »unvollkommen«. Ja, sie waren unvollkommen, ihre Form ziemlich ungewöhnlich, irgendwo zwischen Apfel und Birne, aber weit entfernt von einer Melone. Bisher hatte er geglaubt, dass alle Brüste die geometrische Form einer Kugel und die gleiche Größe hätten. So weit aufgepumpt, dass sie dem Leser ins Gesicht sprangen. Die unvollkommenen Brüste der Linda Mae Barker luden dazu ein, sie viele Stunden mit der Hand neu zu modellieren, bis ihre Form schließlich über jeden Zweifel erhaben war. Linda Maes Busen stammte aus einer fernen, silikonfreien Zeit, in der man mehr Wert auf Anmut als auf Perfektion gelegt hatte. Und ihre Brüste waren kreideweiß, im Gegensatz zu ihrem gebräunten Körper – und eine Bikinilinie ließ sich auch erahnen. Donny war fassungslos. Weiße Brüste? Unvorstellbar! Fast schon schamlos. Gab es 1972 keine Sonnenbänke? Keine Bräunungsmittel? Lief niemand oben ohne am Strand herum? Hatte Linda Mae sich nie vorher jemandem nackt gezeigt? Donny stieg an der Station Long Beach aus. Je mehr er sie mit den Augen verschlang, desto mehr war er darauf bedacht, ihren Körper mit der Gazette de Jules-Vallès vor den Blicken Neugieriger zu schützen. Er stieg in den Bus Richtung Lynwood, wo Stu, ein Kumpel seit Kindertagen, wohnte. Stu arbeitete als Schuldeneintreiber. Schon mehrmals hatte er versucht, Donny für die Kunst des Daumenbrechens zu begeistern, die man in Stus Gewerbe beherrschen musste. Aber Donny, der jegliche Form von Gewalt verabscheute, blieb lieber bei seinem Altpapier. Für ihn war das eine moderne Art der Schatzsuche. Ein Beweis gefällig? Tief unten im Container hatte er Linda Mae entdeckt. Ein Mädchen, das sich dem Playboy hingegeben hatte wie andere ihrem ersten Liebhaber. Begleitet von übertriebenen Vorsichtsmaßnahmen, klappte er den unteren Teil des Faltblattes auf. Er wollte endlich sehen, was es unterhalb der Hüfte zu bestaunen gab. Schaum bedeckte den Großteil der Scham, nur ein krauses Büschel Schamhaare lugte hervor, von gleicher Farbe wie ihr Kopfhaar. Das verlieh der Nymphe etwas Animalisches. Wie viele Überraschungen hielt Linda Mae für Donny noch bereit? Er hatte schon Tausende von Venushügeln gesehen. Manche, wie einfallslos, waren ganz rasiert, andere in Form der Spielfarben Herz, Karo, Pik oder Kreuz, gefärbt in Rosa und Blau. Er wusste mehr über die Form von Schamlippen als sein eigener Vater. Doch Linda Mae Barker hatte das linke Bein nach innen angewinkelt und verbarg so für alle Zeiten ihr Intimstes. Die Männer, und insbesondere Donny, blieben auf ihre Fantasie angewiesen. Unfair war diese Beinhaltung in Donnys Augen, aber andererseits auch vollkommen legitim. Wie hypnotisiert stieg er aus dem Bus, ging ein paar hundert Meter die Josephine Street entlang, betrat ein schwarzes Backsteinhaus, grüßte den alten Puerto Ricaner, der seit ewigen Zeiten umsonst den Pförtner spielte, und läutete bei Stu im Erdgeschoss. Während er wartete, warf er einen letzten Blick auf die attraktive junge Frau, die 1972 einundzwanzig Jahre alt gewesen war. Für Millionen von Amerikanern musste sie der Inbegriff der Erotik gewesen sein. Dieser Gedanke gefiel Donny überhaupt nicht, er war zutiefst beunruhigend.
    »Du kommst genau richtig, Donny. Ich brauche Hilfe …«
    In der Wohnung war es düster, nur ein paar Halogenlampen brannten. Aus Gründen, die nur er kannte, und um sich vor

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