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Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Titel: Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonino Benacquista
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und unauffällig nachging. Niemand konnte wie er in einen Container eintauchen, sich durch die verschiedenen Lagen kämpfen, keine Ecke dabei auslassen und dann mit einer Tasche voller wunderbarer Fundstücke wieder auftauchen. Der Flughafen von L. A. war sein Hoheitsgebiet, niemand störte sich an ihm, er gehörte sozusagen zum Inventar.
    Heute Morgen aber war er mit seiner Ausbeute nicht zufrieden: ein paar Vogues , die viel zu neu waren, und ein paar uninteressante Fitness-Magazine, die höchstens zehn Dollar insgesamt einbrachten. Vielleicht bekam er noch mal fünf Dollar für den Playboy von 1972. Ein Antiquar in Catilina würde ihn ihm sicherlich abkaufen. Für jedes dieser alten Magazine gab es Interessenten. Das waren nicht nur kranke Nostalgiker, sondern durchaus auch seriöse Menschen, manchmal sogar Wissenschaftler, die über Zeitungen vergangener Zeiten forschten. Manchmal erreichte er mit Titeln, von denen er es nie gedacht hätte, die besten Preise. Um einen alten Playboy genießen zu dürfen, musste man ganz schön tief in die Tasche greifen. Aber was war an den nackten Mädchen aus dem Jahr 1972 eigentlich das Besondere?
    Im Jahr 1972 waren sich sein Vater und seine Mutter noch nicht begegnet. Nichts deutete auf die Existenz eines Donny Ray hin. Erst fünfzehn Jahre später war es so weit. Die alles bestimmende Warenwelt hatte inzwischen dafür gesorgt, dass nichts mehr sich im Verborgenen abspielte, die Profitgier hatte die letzten Tabus weggesprengt. Für Donny, der noch nie eine Frau berührt hatte, war ihr Körper eine Art Material, das immer zur Verfügung stand, das man jederzeit betrachten konnte, ohne dass der kleinste Winkel verborgen blieb. Eine nackte Frau war etwas Selbstverständliches wie fließendes Wasser oder die Eisenbahn. Obwohl er noch nie die Schenkel eines Mädchens geöffnet hatte, war er ein Experte der weiblichen Anatomie. Bei seinen Suchaktionen ließ er den Blick über die Pin-ups von Penthouse und Hustler streifen, oft gelangweilt, denn ein Körper war wie der andere, keiner machte mehr neugierig. Dass schöne Mädchen sich 1972 für Magazine auszogen, um sich einen Tag lang wie eine Prinzessin zu fühlen, oder dass Jungs seines Alters damals alles gegeben hätten, um an eine Ausgabe des Playboy zu kommen, war für Donny Ray vollkommen unverständlich. Er blätterte das Heft durch, um zu sehen, ob es in gutem Zustand war, dann faltete er es in der Mitte auseinander, um sich auf drei Seiten das Playmate vom Mai 1972 anzusehen. Linda Mae Barker war ihr Name. Sie posierte in einem Schaumbad und war von der Seite und von oben fotografiert worden.
    Donny hockte in seinem Container und grübelte über das Foto. Es zeigte nicht viel, auf jeden Fall zeigte es nicht alles . Wieso verbarg man etwas vor ihm? Dieses Mädchen hatte auch nichts mit den Models von heute zu tun. Hatten die Frauen damals andere Körper? Die altmodische Miss Barker in ihrem kitschigen Schaumbad hatte seine Neugier geweckt. Noch beim Verlassen des Flughafens hielt er das alte Playboy -Heft in den Händen. Zuvor hatte er noch so eine Art Fanzeitung eingesteckt, die ziemlich zerknittert war: La Gazette de Jules-Vallès . Wo der Unsinn wohl herkam? Jedenfalls besaß das Blättchen genau das Format, um den Playboy darunter zu verstecken. Donny war schließlich erst fünfzehn Jahre alt.
    Er nahm die Straßenbahn und ließ sich in einem leeren Wagen auf eine Bank fallen. Er begann, Linda Mae Barkers Körper von Kopf bis Fuß zu studieren, wobei ihn alles in Erstaunen versetzte. Ihr braunes Haar, das an seinen Wurzeln fast schwarz war und von einem roten Haargummi, wie ihn Schülerinnen trugen, zusammengehalten wurde. Eine ganz gewöhnliche Brünette eigentlich, wie man sie an jeder Straßenecke treffen konnte, nicht besonders aufregend. Donny war in seinem Leben schon Tausenden von ihnen begegnet. Da war die Zahntechnikerin, die in ihrem Kämmerchen am Placid Square nie von ihrer Arbeit aufsah, oder die Sozialarbeiterin, die ihn anflehte, seine Termine beim Psychologen einzuhalten. Die Playmates von heute hatten alle lange blonde Mähnen, mit denen sie ihren ganzen Körper bedecken konnten. Linda Mae Barker würde im Kreis dieser Löwinnen wie ein verlorenes Reh wirken. Mit einer unglaublichen Geduld und völlig arglos studierte Donny ihr wunderbares Mädchengesicht, die Sommersprossen, die man kaum erahnen konnte, ihr großzügiges Lächeln. So viel Unschuld rührte ihn: ihre Art, so wenig zu sagen, wo sie doch so

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