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Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Titel: Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonino Benacquista
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sich einer revolutionären Bewegung anzuschließen, die aber bald wieder von der Bildfläche verschwand. Als einziges bewaffnetes Mitglied der Gruppe musste er die Suppe allein auslöffeln; er verschwand auf Lebenszeit nach Rikers Island, dem Staatsgefängnis von New York. Erwan hatte nämlich nicht gekleckert, sondern geklotzt. Ein Anschlag auf das Leben des Präsidenten hatte ihn in den Knast befördert. Stu schätzte seinen Onkel, den er nur hinter Gittern gesehen hatte, weniger wegen seiner politischen Überzeugung als wegen der Länge seiner Haftstrafe. Mit der konnte er bei den kleinen Nachwuchsganoven in seinem Viertel mächtig Eindruck schinden.
    »Ist Alkohol im Knast nicht verboten?«
    »Das Einzige, was da, wo er ist, nicht geht, ist Ratenzahlung. Inzwischen gehört er zum Betrieb, er darf seinen Tabak kaufen gehen, er spielt Karten mit den Wärtern und geht dazwischen, wenn sich welche streiten. Er konnte immer gut reden. Er sagt, ich solle nicht so werden wie er.«
    Während Stu erzählte, packte er die Flaschen in die Kiste. Damit sie nicht gegeneinanderschlugen, hatte er jede einzeln mit Wellpappe umwickelt. Allerdings war ihm für die letzte das Material ausgegangen. Zeitungspapier würde es auch tun. Also griff er wie selbstverständlich nach dem Playboy , was Donny einen Schreckensschrei ausstoßen ließ.
    »Linda Mae!!!«
    Er presste die Geliebte an sein Herz und traf eine folgenschwere Entscheidung.
    »Egal, ob du mir hilfst oder nicht. Ich werde sie finden. Und ich werde ihr sagen, was sie mir bedeutet.«
    »Altersmäßig könnte sie deine Oma sein.«
    Stu griff nach dem anderen Magazin, das sich auf seinen Tisch verirrt hatte, und versuchte den Titel zu lesen.
    »Die was? … Gazette …? Was ist das für eine bescheuerte Sprache?«
    »Jetzt siehst du mal, was man alles in diesen Containern findet. Also, ich könnte …«
    Stu wollte keine weiteren Informationen, er wickelte die Gazette de Jules-Vallès um die sechste Flasche, die jetzt perfekt eingekeilt zwischen den fünf anderen lag. Dann klebte er die Adresse auf das Paket: James Thomas Center, 14 Hazen Street, Rikers Island, NY 11370. Damit das Paket leichter zu transportieren war, fabrizierte er im Handumdrehen aus einer Schnur zwei Tragegriffe. Darin hatte er Routine.
    »Und wenn du sie eines Tages tatsächlich findest, was sagst du deiner Miss Mai 1972?«
    Donny sagte eine ganze Weile nichts. Dann antwortete er:
    »Dass ich noch immer an sie glaube.«
    *
    Auf Rikers Island, dem Gefängnis vor der Küste von Manhattan, waren siebzehntausend Gefangene, Männer wie Frauen, inhaftiert, verteilt auf zehn Gebäude. Die Insel, ungefähr zehn Kilometer nördlich des Empire State Building gelegen, war ein kleiner Staat im Staat und die größte Gefängnisanlage der Welt. Im James Thomas Center, dem Gebäude, das man nach dem ersten afroamerikanischen Gefängniswärter benannt hatte, waren sehr weit weg von den anderen die »ewigen« Gefangenen untergebracht. In diesem Olymp der Unterwelt begegnete man den letzten noch lebenden Legenden des organisierten Verbrechens, deren Mythos draußen nach wie vor ungebrochen existierte. Manche von ihnen saßen Strafen von vierhundert Jahren ab; sie würden also hinter Gittern sterben, dann könnten sie dort wiedergeboren werden und erneut dort sterben, und das mehrere Generationen lang. Um in diesen exklusiven Klub aufgenommen zu werden, musste man mindestens zu zweihundertfünfzig Jahren ohne Aussicht auf Haftminderung verurteilt worden sein.
    Infolgedessen war die Zeitwahrnehmung in dieser speziellen Langzeitunterkunft eine andere als überall sonst auf der Welt.
    Alle zwanzig Gefangenen hatten außergewöhnliche Haftbedingungen. Sie waren berühmt, die meisten von ihnen verfügten über ein beträchtliches persönliches Vermögen, und ihre Anwälte konnte man mit weltweit agierenden Konzernen in Verbindung bringen. Dank ihres guten Verhältnisses zur Gefängnisverwaltung hatten sich ihre Zellen in Wohnungen verwandelt, die von der Einrichtung her durchaus mit so manchem Luxusapartment in Manhattan mithalten konnten. Sie alle würden hier eines Tages sterben, doch keiner von ihnen hatte es damit eilig.
    Am frühen Nachmittag saßen zwei der Bewohner – Sträfling war nicht mehr die richtige Bezeichnung für die beiden – in ihren Sesseln, rauchten die obligatorische Zigarre nach dem Essen und plauderten. Die zwei waren seit vier Jahren Freunde, was in ihrem persönlichen Zeitempfinden der Dauer eines

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