Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
Standbesitzer mit dem Mut der Verzweiflung.
Franck sammelte sein Kleingeld zusammen und schaffte bei der nächsten Serie mit fünf Schüssen fünfhundert Punkte. Die Einschüsse im Schwarzen erinnerten an die Blütenblätter einer Blume. Wieder zog der Mann hinter der Theke die Scheibe aus ihrer Befestigung und besah sie ungläubig, er konnte nur drei Einschüsse feststellen. Wo waren die beiden anderen? Der Amerikaner mochte zwar ein Glückspilz sein, aber das reichte nicht, um den Hauptpreis zu bekommen. Den hatte noch nie jemand bekommen. Franck zeigte ihm, dass zwei Einschüsse sich mit zwei anderen überlagert hatten. Mit ein bisschen Konzentration und ein bisschen gutem Willen konnte man das erkennen. Die Zielscheibe bewies es eindeutig. Warum also machte der Kerl einen Aufstand und wurde immer lauter? Schaulustige blieben stehen. Der Gedanke an seine Geheimmission riet ihm zu einem unauffälligen, geordneten Rückzug, aber dazu war es zu spät. Er konnte der Kleinen ihre Trophäe nicht mehr vorenthalten. Also achtete er darauf, dass sie nicht mitbekam, was jetzt passierte. Franck fasste den Typen hinter der Theke unauffällig am Arm, setzte einen Hebelgriff an, der ordentlich schmerzte, und steckte den Lauf eines Gewehrs in seinen Mund. Der Kerl hob seinen freien Arm hoch, als Zeichen seiner Kapitulation. Kurz darauf konnte das Mädchen seinen Affen in die Arme schließen und ließ sich sogar zu einem Lächeln hinreißen. Bevor Franck sie gehen ließ, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, mit der Hand durch ihr feines, golden schimmerndes Haar zu fahren. Irgendetwas sagte ihm, dass die Kleine ihn nie vergessen würde.
Rosello war nicht der Einzige, der seine Fähigkeiten auf dem Jahrmarkt unter Beweis stellen wollte. Hector Sosa, Chi-Chi genannt, der ältere der beiden Puerto Ricaner, blieb vor einem Punchingball stehen, auf den eine Horde Jungs eindrosch. Hector konnte Typen, die dreimal kräftiger waren als er, bewusstlos schlagen. Eine Spezialität von ihm war, mit gesenktem Kopf auf den größten und kräftigsten loszurennen; das verlangte einen Mut, der an Tollkühnheit grenzte. Berühmt geworden war er bei der Weltmeisterschaft im Mittelgewicht in Santa Fe vor zehn Jahren. Er arbeitete als Bodyguard beim amtierenden Champion, die beiden bekamen Streit und Chi-Chi schlug ihn kampfunfähig. Chi-Chi landete für zwei Monate in San Quentin, wo ihn die kampferprobtesten und grausamsten Gefangenen mit größtem Respekt behandelten. An diesem Tag aber benötigte er nur einen Faustschlag, um die Punchingball-Anlage von Cholong zu zerstören und so zum Helden der Dorfjugend zu werden.
Ein paar Meter weiter amüsierte sich der ältere Bruder von Joey, Jerry Wine, berüchtigter Fluchtwagenfahrer bei großen Coups, gerade königlich beim Autoskooter. Es ging darum, möglichst viele Wagen zu rammen und – bang, bang – jedem, der sich einem in den Weg stellte, eine Lektion zu erteilen oder schnurstracks in den ganzen Wagenpark hineinzufahren, ohne einen einzigen zu verschonen. Für einen Typen, der, umstellt von zehn Polizeiwagen, immer noch einen Fluchtweg fand und mit sechzig Stundenkilometern über einen Parkplatz rasen konnte, ohne irgendetwas zu beschädigen, gab es kein größeres Vergnügen, als sich mit seinem kleinen roten Wagen als Nächstes eine Gruppe von leicht genervten Fahrern vorzunehmen, denen offenbar sein Fahrstil nicht passte.
Guy Barber, der in Wirklichkeit Guido Barbagallo hieß, blieb an einem Lotteriestand hängen, wo er den Marktschreier mit seinem in Las Vegas entwickelten Zahlensystem in den Wahnsinn trieb. Der geringste Anlass genügte und schon nahm der Spielteufel von ihm Besitz, und er vergaß alles um sich herum. Guy erfand immer wieder neue Spiele und wettete auf beinahe alles: auf die Nummern von Banknoten, Autoplaketten und Litfaßsäulen. Erstaunlich war, dass er in jeder noch so zufällig erscheinenden Zahlenreihe die Logik erkennen konnte. Ob es diese Gabe war, die seine Sucht beförderte, oder umgekehrt, ließ sich bei einer derart starken Obsession nicht mehr feststellen.
Der Einzige, der außer Matt ganz auf die Mission fokussiert blieb, war Gregorio Sanfelice, ein Spezialist für schwere Waffen. Greg war wegen seiner absoluten Zuverlässigkeit von Don Mimino persönlich ausgewählt worden. Greg war das komplette Gegenteil von Manzoni. Das FBI hatte ihm einst versprochen, ihn laufen zu lassen, wenn er drei oder vier Namen nennen würde, er aber hatte es
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