Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
Hinweisschilder zu entziffern. Joey folgte dem Schild, das in Richtung Empfang, Büro und Aula wies. Sein Kollege ging in Richtung Speisesaal, Arztzimmer und Turnhalle.
Joey zertrümmerte eine Fensterscheibe und gelangte so auf einen Gang, der zu den Büros führte. Um an die Adresse des kleinen Warren Blake zu kommen, wäre er bereit gewesen, allerlei Schrecken zu verbreiten, doch nun war es still hier, und er war allein in diesem großen grauen Gebäude – was ihn enttäuschte. Anstatt ein paar Arme brechen zu können, musste er selbst die Metallschränke aufbrechen und die Akten auf gut Glück durchstöbern. Nach der ersten Schublade hatte er genug, er zog alle anderen heraus und stürzte auch noch die Schränke um. Dann ging er in das Zimmer des Direktors, nahm in seinem Sessel Platz und machte sich an den Schubladen seines Schreibtischs zu schaffen, die er, weil sie verschlossen waren, mit einem Briefmesser öffnen musste. Die paar Notizzettel, die er fand, ließ er mechanisch in seiner Hosentasche verschwinden. Dann marschierte er weiter und blieb vor einem Klassenzimmer stehen. Er konnte nicht widerstehen und ging hinein.
War Joey überhaupt jemals zur Schule gegangen? Er überlegte. Vielleicht hatte er tatsächlich ein paar nette Stunden in der Public School von Cherry Hill in New Jersey verpasst. Er machte lieber jeden Morgen einen Bogen um sie, um sich mit seiner Gang an der Ranoldo Terrace zu treffen. Noch nie war er einer Schultafel so nahe gekommen. Der Geruch von Kreide rief in ihm keinerlei Erinnerungen hervor. Das Quietschen auf dem Schiefer – ein Geräusch, das er nicht kannte – bereitete ihm Gänsehaut. Machte also dieses kleine weiße Stück Kreide den Unterschied aus? Lag in ihm das Wissen der Menschheit verborgen? Konnte man mit ihm alles demonstrieren? Beweisen, dass es Gott gab oder nicht, dass zwei Parallelen sich in der Unendlichkeit trafen und die Dichter recht hatten? Joey wollte gerne etwas hinterlassen. Irgendein Wort, eine Zahl oder eine Zeichnung. Da ihm nichts einfiel, schrieb er das auf die Tafel, was er schon auf vielen Kneipentoiletten als Botschaft hinterlassen hatte: JOEY WAS HERE .
Nick Bongusto ging in die Turnhalle und brüllte ein paar Obszönitäten in den Raum, die als Echo zurückkamen. Er drehte sich eine Zigarette und inspizierte das Inventar. Er hängte sich an eine Sprossenwand und an ein Seil, an dem man fünf Meter hochklettern konnte, durchforstete die Regale, in denen die Trikots aufbewahrt wurden, und besah sich einen Basketball von allen Seiten: Es gab wohl nichts auf der Welt, das der Erdkugel mehr glich. Es war das erste Mal, dass Nick einen solchen Ball in Händen hielt. Dabei hatte er Tausende von Spielen in seinem Leben gesehen. Er hatte junge Spieler am Eingang zum Schulhof abgepasst, um ihnen Ware in Briefchen oder Röhrchen anzubieten. Aber nie hatte er mitgespielt und ein Dribbling versucht. Später in den Hallen hatte er Wetten organisiert und den Stars beim Spielen zugeschaut. Manche hatte er sogar kennengelernt. Je nach Auftrag bestach er sie oder sorgte dafür, dass sie richtig Schiss bekamen. Er kannte alle Regeln, kannte alle Spieler. Und ihn selbst, mit seinen ein Meter achtzig, seinen Händen, die eher Pranken glichen, und seinem kahl rasierten Kopf, hätte man durchaus einwechseln können. Aber es war das erste Mal, dass er das raue Gummi des roten Balles mit seinen eigenen Händen berührte. Er rannte damit auf das Basketballfeld im Hof, stellte sich vor den Korb und nahm einen letzten tiefen Zug von seiner Kippe. Er stand vor einer schwierigen Entscheidung: entweder den ersten Korb seines Lebens zu werfen oder den Ball fallen zu lassen und so der einzige Amerikaner zu bleiben, der noch nie gescort hatte. Joey stand am Fenster mit der Kreide in der Hand und sah, wie Nick in Wurfposition ging. Er feuerte ihn an.
Paul Gizzi und Julio Guzman patrouillierten durch leere Straßen, vorbei an geschlossenen Geschäften. Waren sie in einer Geisterstadt gelandet? Noch nie hatten sie solche Straßen gesehen, eng und leicht abschüssig, eingesäumt von Quecken, Efeu und Zweigen von Apfelbäumen, die manchmal über die Mauern bis auf die Straße reichten. Es roch gut, und es war schattig in diesen Straßen, deren Namen unaussprechbar waren. Vor dem einzigen Laden, dessen Schild sie verstanden, blieben sie stehen: SOUVENIRS .
Mit seinen vierzig Jahren sah Gizzi noch immer wie ein Lausbub aus. Er hatte drahtiges kastanienbraunes Haar, kurz
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