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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Koran und die Sunna. Darum bitte ich dich herzlich: Laß ab, mich zur Beichte zu verführen. Das ist die Art der Christen. Nichts sagen Koran und Sunna von der Beichte.«
    »Aber sie sagen auch nichts dawider. Glaube mit mir, meine Tochter, an die Kraft des Wortes: Sprich es aus, was dich bedrängt, vor dir selbst, aber auch vor einem zweiten, vor mir, der die Worte festhalten hilft, wenn sie dir wieder entrinnen wollen.
    Das Dunkel wird sich erhellen, das Vermengte sich scheiden, und du wirst das, was am schwersten zu sehen ist, erkennen: dich selbst.«
    »Du mußt nicht denken, mein Vater, daß ich nicht schon oft über mich nachgesonnen hatte -«
    »Über etwas träumen und es aussprechen ist zweierlei. Du sprachst von deinem Schwur, Hakim Malchatun, allen Menschen zu helfen, die deiner bedürfen, selbst unter der Gefahr deines Lebens. Entweder gilt ein Schwur immer oder nie. Was du aber einem Rechtgläubigen versagt hättest, bist du willens, einem Ungläubigen zu gewähren; ihm zu helfen unter der Gefahr deiner Freiheit, deines unversehrten jungfräulichen Leibes und deiner Ehre. Spreche ich wahr, meine Tochter?«
    Malchatun senkte den Kopf.
    »Es ist Wahrheit in deinen Worten«, sagte sie.
    Sie wehrte sich nicht mehr. Kumrals Wahrheit zog sie neben Kumral zu Boden. Doch es war kein Setzen, sondern ein Sinken. Sie sank auf die Knie.
    Kumral blickte sie nicht an.
    »Du versagst Rechtgläubigen, was du einem Ungläubigen gewähren willst?«
    »Ich versage Rechtgläubigen, was ich einem Ungläubigen gewähren will.«
    »Nenne mir den Grund, meine Tochter. Oder verschließt dir die Scham den Mund? Fürchte dich nicht vor mir. Glaubst du, ich sei kein Mensch und nicht zu beschämen?«
    In diesem Augenblick war Malchatun geneigt, ihn für einen Heiligen zu halten.
    »Die Menschen nennen es Liebe«, flüsterte sie.
    Noch immer schaute Kumral in eine Ferne, die nur er sah. Aber was er auch sehen mochte - Osmans Namen nannte er nicht.
    »Es gibt Regungen, die weder gut sind noch böse, die ihren Grund darin haben, daß wir Männer und Frauen sind erst die Menschen machen ein Gut oder Böse daraus. Demütige
    deinen Hochmut, gelehrte Tochter des Scheichs Edebali. Befrage Allah und nicht dein Herz.«
    »Ich liebe ihn.«
    »Ich sehe diesen Ungläubigen. Auch er ist nicht gut und nicht schlecht. Und Eitelkeit ist sein Denken.«
    »Ich liebe ihn.«
    »Er ist kein Moslem - er ist nicht einmal ein Christ. Du bist in großer Not. Und was tat er? Er tat nichts. Keine Hilfe kam dir von ihm.«
    »Ich liebe ihn dennoch.«
    Kumral ließ eine Weile verstreichen.
    »Jeder Vernunft zuwider wirst du reiten«, sagte er dann. »Das weiß ich nun.«
    »Wie kann ich anders, da ich ihn liebe?«
    Er stand auf und sah auf sie nieder.
    »Es ist dein Herz, dein törichtes Herz, meine Tochter.« Fast milde klangen seine Worte. »Doch fortab schließe deine Augen sieleiten dich nicht. Ich will für dich sehen. Verschließe deine Ohren - sie warnen dich nicht. Ich will für dich hören. Du würdest dem Kontophres in den Fang laufen wie ein Rehjunges dem Fuchs, dir zum Verderben und dem ganzen Islam zur Schmach. Ich will für dich wachen. Weil du blind bist und taub und deiner Gedanken nicht mächtig, will ich für dich beten.«
    »Oh, Kumral, ich liebe ihn!«
    Fester faßte er seinen Stab.
    »Der Bote soll nicht schwatzen, er bleibt in der Fessel«, erklärte er hart. »Eine der ertoghrulischen Frauen habe ich dir bestimmt. Sie wird kommen, wenn niemand sie sieht, und an deiner Stelle in Biledschik bleiben, bis wir über den Tumanidsch sind. Nach Monduntergang brechen wir auf, also um die Mitte der Nacht. Du wirst mir folgen in der Tracht jenes ertoghrulischen Weibes.«
    Bis auf den Teppich neigte Malchatun die Stirn.
    »Ich liebe ihn«, hauchte sie, und ihre Schultern bebten.
    »Nach Mitternacht«, sagte er und ging.

12
    Wenn die Herrschaft Biledschik sich auch um Ertoghruls Besitzungen Seraidschik und Sögüd vermindert hatte, so war sie doch immer noch bedeutend und erstreckte sich zu beiden Seiten des Tumanidsch von Jarhissar und Indschirbinari bis Jundhissar am Osthang des Gebirges. In dem letzten Burgflecken konnte aber von einem richtigen Schloß kaum die Rede sein. Die Kernstellung der schwachen Befestigung, die als äußerstes Vorwerk gegen Eskischehr sehr wichtig werden konnte, war nicht viel mehr als ein Burgstall. Mit Rücksicht auf Manuels Umtriebe arbeiteten daher nicht nur die Einwohner von Jundhissar, sondern auch ein kriegerisches

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