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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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sie aber bei den sich vertiefenden religiösen Gegensätzen den Heißspornen und den andern Stämmen gegenüber sich gern auf eine geistliche Autorität berufen möchten. Er selbst jedoch sah für die Glaubensfestigkeit der Ertoghruler keine Gefahr und rechnete vielmehr auf die Einwirkung des engeren Zusammenlebens für die allmähliche Bekehrung der Flüchtlinge, deren Gewerbefleiß der christlichen Partei auf alle Fälle entzogen würde. Aber so genau er Gewinn der Seinen und Verlust der Gegner an Steuern, Zinsen und Menschen erwog, hielt seine Antwort sich doch im rein Geistlichen. Er blickte auf, und alle neigten das Haupt, um die Worte des Lehrers mit Ehrerbietung zu vernehmen.
    »Hilfe an Leuten in unverschuldeter Bedrängnis ist am Tage des Jüngsten Gerichtes vor Allah ein Schatz«, verkündete er, »ihm allein sei Preis und Ehre. Christen sind Kinder des Buches, und so Gerechtigkeit an ihnen erfunden werden sollte, werden sie nicht verworfen sein, und nicht wird Allah ihre Seelen von euch fordern, wenn ihr ihnen in Tugend vorangehet und kein Ärgernis gebet.«
    »Amin«, sagten alle und verneigten sich bis auf die Polster.
    Aber etwas Wesentliches fügte Edebali noch beim Abgehen auf eine mehr weltliche Art hinzu.
    »Wie ich höre«, sagte er, »betrachten die Leute von Koladscha Kir Michael als ihren eigentlichen Herrn. Es wäre gut, mit ihm ein Abkommen zu treffen, damit der Christenkaiser in Konstantinopel sich nicht wegen Grenzverletzung und Übergriffen bei der Pforte beklagen kann.«
    Wenn es nicht so unschicklich gewesen wäre, hätte Malchatun über das väterliche Eingehen auf ihre eigenen Wünsche offen gelächelt. Auf diese Weise wurde Kir Michael so ganz nebenbei zu einem künftigen Vertragsfreund gemacht. Dessen Gefangenschaft verlor damit alles Bedrohliche.
    Mit Edebalis letzten Worten hatten die drei älteren Männer das Zimmer verlassen. Zum erstenmal in seinem Leben war Osman mit Malchatun allein. Selbst in den Fluchttagen war das nicht geschehen. Immer waren Kumral oder Bruder Ghundus bei ihr gewesen. Zu denen hatte sie sich gehalten, nicht zu ihm.
    Weit mehr als nur ein körperliches Verlangen nach Malchatun erfüllte Osman. Sein unwiderstehliches Mitteilungsbedürfnis, dessen Beute er noch vor kurzem gewesen war, hatte ganz den Liedern der ritterlichen Araber Spaniens entsprochen; aber nachdem er aufgehört hatte, von Malchatun zu reden, empfand er sie nur noch stärker als ein ihm entrücktes Wesen aus einer Welt, die ihm für immer verschlossen sei. Noch in den Tagen der Flucht hätte ein Alleinsein mit Malchatun ihn mit leiser Hoffnung beschwingt. Aber inzwischen war mancherlei eingetreten, was seine Sehnsucht in Kummer und seinen Kummer in Gram verwandelt hatte. Worte eines herabsetzenden Spottes waren ihm hinterbracht worden, die Malchatun über ihn geäußert haben solle. Nicht nur verschmäht glaubte
    Osman sich, sondern auch verachtet. In seiner Eigenschaft als Krieger möge sie ihm wohl noch einige Gerechtigkeit widerfahren lassen, doch was bedeute ein Kriegsmann Malchatun? Ein Mensch, nicht wert, den Saum ihres Kleides zu berühren, geschweige denn sieselbst, ein Tölpel, gerade gut genug, an Stelle eines Wachhundes auf ihrer Schwelle zu liegen.
    Nun er zum erstenmal mit ihr allein war, stand Osman steil vor der Frau, die er liebte und die er sich doch so entfernt von sich dachte.
    Osman bebte, und fast wäre eine weiche Stimmung über Malchatun gekommen. Ihr Leben war in Bewegung geraten, das Festeste wankte, und froh wäre sie gewesen, einen neuen Halt zu gewinnen. Verdankte sie Osman nicht ihr Leben? Könne sieseiner Neigung nicht gewiß sein? Könne sie . . .?
    Plötzlich stand eine Frage vor ihr. Eine bittere Frage.
    Allem gegenüber, was ihr sicher erschienen war, hatte sie ein Mißtrauen erfaßt. Warum aber solle gerade ein jüngerer Mann, dachte sie, dem man vorzeiten Flatterhaftigkeit nachgesagt habe, er allein in seinen Gefühlen beharrlich sein?
    Viel hätte jetzt ein Lächeln auf Osmans Lippen vermocht. Aber Osman lächelte nicht, und seine Verschlossenheit war wenig geeignet, Malchatuns weiche Stimmung zu fördern.
    »Handelt es sich nur um die Leute von Koladscha?« fragte siekühl.
    »Nur um sic«, erwiderte Osman.
    »Ihr werdet keinen Krieg beginnen?«
    »Wir wollen keinen.«
    »Keinen Krieg?«
    »Nein.«
    »Manuel ist geschlagen und verschwunden«, fuhr siefort, »das ist eine Gelegenheit, die Grenze zu befreien.«
    »Die Hanum hat recht«, bestätigte Osman,

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