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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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der Treue.«
    Wenn Osman seinen Vorteil hätte erspähen können, wäre dies der Augenblick einer Besitzergreifung gewesen. Doch immer noch konnte er die Scheu seiner Hände nicht überwinden und hielt es für ungefährlicher, sich einen geringen Ärger von ihr ausreden zu lassen.
    »Die andern waren dir ebenso treu«, murrte er, »und mir fruchtete meine Beständigkeit wenig. Immer hocktest du mit Kumral und Ghundus zusammen.«
    »Bist du eifersüchtig auf Kumral?« lachte sie.
    »Nein«, stimmte er ein und wollte sie greifen, »aber vielleicht auf Ghundus!«
    Doch jetzt kam er zu spät. Mit ihren flachen Händen stieß sie ihn zurück.
    »Gedenkst du nicht unserer Väter, mein Osman?« lachte sie noch immer. »Was würdest du ihnen sagen, wenn sie von deiner Dreistigkeit erführen?«
    »Pah!« gab er sich großartig, »da ist vorgesorgt. Ich schickte längst nach Sögüd.«
    »Und du bekamst Antwort?« - Um neugierig zu sein, war sie Frau genug.
    »Zwei sogar«, triumphierte er. »Die eine von meinem Vatersbruder Dündar. Wunderbar war sie. Er verfluchte zuerst mich, dann dich, und kinderlos sollten wir bleiben - falls wir aber dennoch Kinder bekämen, verfluchte er auch die.«
    »Ein wackerer Fluch«, meinte Malchatun, wenig erschüttert. »Und Ertoghrul? Er wird dir auch nicht gerade seinen Segen gesandt haben?«
    »Nicht unbedingt«, gab Osman zu. »>Werbe, wenn du es so willst<, ließ er mir sagen, >wenn du aber abgewiesen wirst, verschließe ich dir Sögüd < . . . Nun -?« fragte er nach einer kleinen Pause und rückte ihr näher.
    »Soll das eine Werbung sein?«
    »Ich habe nie aufgehört, um dich zu werben«, wagte er sich weiter vor.
    »Dann . . .«, sie wandte den Kopf fort und empfand ihre Lage als bedroht, »- dann werde ich dir die Heimkehr wohl nicht nehmen dürfen«, vollendete sie dennoch. »Aber . . .«, scheuchte sie ihn sofort wieder zurück, »an meinen Vater hast du wohl überhaupt nicht gedacht?« Der Einwurf war wirksamer, als sie es vermutet hätte.
    »Freilich, dein Vater, deiner . . .«, wurde er bedenklich . . .
    So unbegrenzt war seine Ehrfurcht vor Edebali, daß er sich das wirkliche Verhältnis zwischen Malchatun und seinem Lehrer gar nicht vorzustellen vermochte. Hätte Osman gewußt, daß Edebali im Begriff sei, eine junge Frau als Malchatuns Händen zu empfangen, ja daß sie es gewesen sei, die den väterlichen Wünschen als erste Worte und Form gegeben habe, so hätte er sich um Edebalis Zustimmung zur Heirat mit Malchatun wohl weniger Gedanken gemacht und keineswegs mit gerunzelten Brauen sorgenvoll dagesessen.
    Malchatun dagegen fand es gut, daß er so dasaß.
    »Wie war es mit deinem Traum?« fragte sie.
    Ob dieses Mädchen denn alles wisse? dachte er, und fast spürte er eine richtige Angst. Sogar seine Träume kenne sie, vielleicht sogar solche, deren er selbst sich gar nicht bewußt sei ?
    »Welchen Traum . . .?« stotterte er.
    »Den von einer Ulme. Erinnere dich nur, Manuel brachte es unter die Leute. Du haltest es mit den Bäumen, sagte er, sie seien dir lieber als Mädchen.«
    »Dieser Schuft!«
    Beschämt und bloßgestellt fühlte sich Osman vor Malchatun.
    «Das mag er wohl sein«, sagte sie; »aber vergiß nicht, daß hieran auch seine Dummheit ihren Teil hat.«
    »Dumm?« erstaunte er. »Du nennst Manuel dumm?«
    »Für schlau und beschränkt halte ich ihn. Was er auch wissen mag - das Wesentliche wird ihm stets verborgen sein, ihm und seiner Daphne.« Und nun lachte sie, da sie Osman ansah. »Von der weiß ich doch diese Ulmengeschichte.«
    Malchatuns Lachen richtete ihn wieder etwas auf. Sogar widersprechen konnte er ihr jetzt.
    »So war es ein Gespräch und kein Traum«, sagte er.
    »Ein Wachtraum, mein Osman«, beharrte sie, »und ich will ihn kennen.«
    Anfangs verwirrten sich Osmans Gedanken, als er sich in das Zelt zurückversetzte. Einen Busenfreund hatte er geglaubt in Manuel gefunden zu haben, und nichts war davon übriggeblieben, nur die Erinnerung an ein sinnloses Zechen und an einen Haufen Unsinn, der geredet worden sei. Osman war sehr geneigt, seine Vision von Malchatun für nichts anderes zu halten. Aber als sie ihn fragte, ob er ihr nicht das gleiche Vertrauen entgegenbringen könne, das er einst an einen fremden Mann leichtsinnig verschwendet habe, blieb ihm keine Wahl.
    Und so sei es gewesen oder doch so ähnlich; denn jetzt sehe er es klarer als zuvor, rief er aus — ein Mond, ein wachsender Mond sei Edebalis Brust entstiegen und habe sich, in

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