Malloreon 5 - Seherin von Kell
dieses seltsame Haus und versuchten, sich daran zu gewöhnen. Dann setzten sie sich alle in den riesigen Kuppelraum in der Mitte des Hauses, wo Wasser eines kleinen Springbrunnens eine Wand herabrann. »Es gibt keine Hintertür«, stellte Silk kritisch fest.
»Hattest du vor, dich heimlich zu empfehlen, Kheldar?« fragte Sammet.
»Nicht unbedingt, aber ich habe es gern, wenn mir diese Möglichkeit offensteht – falls sich ein Rückzug als notwendig erweisen sollte.«
»In dem Fall kannst du ja aus einem Fenster springen.«
»Das ist unfachmännisch, Liselle. Nur ein Student im ersten Jahr würde aus einem Fenster hechten.«
»Ich weiß, aber manchmal müssen wir improvisieren.«
In Garions Ohren erklang ein eigenartiges Murmeln. Anfangs glaubte er, es käme von einem Springbrunnen, aber es hörte sich nicht wirklich wie fließendes Wasser an. »Denkst du, sie hätten etwas dagegen, wenn wir hinausgehen und uns umsehen?« fragte er Belgarath.
»Warten wir damit noch ein bißchen. Wir wurden sozusagen hier hineinkomplimentiert. Ich weiß nicht, ob das bedeutet, daß wir hierbleiben sollen. Versuchen wir uns erst ein Bild zu machen, bevor wir irgendwelche Risiken eingehen. Die hiesigen Dalaser – vor allem Cyradis – haben etwas, das wir brauchen. Kränken wir sie nicht.«
Er blickte Durnik an. »Hat Toth durchblicken lassen, wann sie in etwa hierherkommen wird?«
»Eigentlich nicht, trotzdem habe ich den Eindruck gewonnen, daß sie uns nicht lange warten lassen wird.«
»Das sagt uns nicht viel, Bruderherz«, meinte Beldin. »Die Dalaser haben eine etwas merkwürdige Einstellung zur Zeit. Sie rechnen sie in Zeitaltern, nicht in Jahren.«
Zakath hatte die Wand, die sich nur wenige Meter hinter dem Springbrunnen befand, eingehend betrachtet. »Ist euch klar, daß keinerlei Mörtel zum Zusammenhalten der Steine benutzt wurde?« Durnik trat neben ihn, zog sein Messer aus der Scheide und tastete die kaum sichtbare Fuge ab. »Sie sind durch Nuten miteinander verbunden«, stellte er staunend fest. »Es muß Jahre gedauert haben, dieses Haus zu bauen.«
»Und Jahrhunderte für die Stadt, wenn alle Bausteine so zusammengefügt sind«, warf Zakath ein. »Wo haben sie das gelernt? Und wann?«
»Wahrscheinlich während des Ersten Zeitalters«, meinte Belgarath.
»Hör damit auf, Belgarath!« sagte Beldin gereizt. »Du redest schon fast wie sie.«
»Ich versuche immer, mich den einheimischen Sitten anzupassen.« »Ich weiß trotzdem nicht mehr als zuvor«, beklagte sich Zakath.
»Das Erste Zeitalter begann mit der Erschaffung des Menschen und dauerte bis zur Spaltung der Welt durch Torak«, erklärte ihm Belgarath. »Der Anfang ist etwas vage. Unser Herr erwähnte nie, wann genau er und seine Brüder die Welt erschufen. Ich vermute, daß keiner von ihnen davon reden will, weil ihr Vater dagegen war. Der Zeitpunkt der Spaltung der Welt steht dagegen fest.«
»Habt Ihr es miterlebt, Lady Polgara?« fragte Sadi neugierig.
»Nein«, antwortete sie. »Meine Schwester und ich kamen erst ein wenig später auf die Welt.« »Wieviel später?« »Ungefähr zweitausend Jahre, nicht wahr, Vater?« »Ja, in etwa.«
»Mir stockt das Blut, wenn ich nur daran denke, wie gleichmütig ihr über Äonen sprecht.« Sadi schauderte.
»Wieso meint Ihr, daß sie diese Bauweise vor der Spaltung der Welt gelernt haben?« fragte Zakath Belgarath.
»Ich habe einiges im Buch der Äonen gelesen«, antwortete der alte Mann. »Die Geschichte der Dalaser ist darin sehr genau niedergelegt. Nachdem die Welt gespalten war und das Meer des Ostens zwischen die getrennten Teile brauste, seid ihr Angarakaner nach Mallorea geflohen. Die Dalaser wußten, daß sie eines Tages mit euch zurechtkommen mußten, deshalb entschlossen sie sich, sich als einfache Landleute auszugeben. Sie brachen ihre Städte nieder – alle, außer dieser.« »Warum ließen sie Kell unversehrt?«
»Weil es nicht nötig war, sie abzureißen. Es waren die Grolims, derentwegen sie sich wirklich Sorgen machten, und die Grolims können nicht hierherkommen.«
»Aber andere Angarakaner können es«, gab Zakath zu bedenken. »Wieso hat nie einer der Bürokratie eine Stadt wie diese gemeldet?« »Sie werden wahrscheinlich veranlaßt, es zu vergessen«, sagte Polgara. Er blickte sie scharf an.
»So schwierig ist das nicht, Zakath. Ein Wort, eine Andeutung können Erinnerungen auslöschen.« Leichter Ärger huschte über ihr Gesicht. »Was ist das nur für ein Murmeln?« fragte sie
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