Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
erreichte, war, dass sie die Piraten unterhielt. Einen Augenblick später ging ihr auf, dass die Steine doch eine bessere Waffe waren, als sie dachte, denn sie erreichte damit genau das, was sie wollte: dass die Piraten sich lange genug auf sie konzentrierten, bis Boyd in der Lage war, ihr zu Hilfe zu eilen.
Als sie sah, wie er sich, bewaffnet mit dem dicken Ast, den Piraten von hinten näherte, lenkte sie ihre Verfolger mit weiteren Steinen ab. Als Boyd nahe genug war, ging er gleich zum Angriff über, schwang den Schlagstock erst zur einen und dann zur anderen Seite. Zwei Piraten gingen zu Boden. Einer von ihnen bewegte sich, war nicht ohnmächtig. Ein schneller Schlag ins Gesicht, und er rührte sich nicht mehr.
Bei den Geräuschen hatten die anderen vier sich blitzschnell umgedreht. Drei davon sprangen zeitgleich auf Boyd zu, woraufhin dieser schlägerschwingend zur Seite auswich und zwei der Angreifer eiskalt erwischte. Sie gingen zwar nicht zu Boden, aber derjenige, der zuerst getroffen wurde, stieß einen gellenden Schrei aus und hielt sich das zertrümmerte Ohr. Die rasenden Schmerzen lähmten ihn einen Augenblick lang.
Der letzte Pirat rührte sich nicht vom Fleck. Stattdessen zückte er eine Pistole mit langem Lauf aus seinem Gürtel. Er hatte Katey, die gar nicht erst wissen wollte, was er damit vorhatte – vor allem nicht, wenn er zu der Überzeugung kam, dass ein Sklave reichte –, den Rücken zugewandt.
Ohne nachzudenken, griff sie sich den größten Stein, den sie eingesammelt hatte, und ließ die anderen leise zu Boden gleiten, damit sie ihn mit beiden Händen umfassen konnte. Als sie hinter dem Piraten stand, hob sie ihn in die Höhe und ließ ihn mit voller Wucht auf seinen Kopf herabsausen. Sofort ging er zu Boden. Sie traute ihren Augen nicht, als sie begriff, dass es ihr tatsächlich gelungen war, ihn zu besiegen.
Ein Blick zu Boyd verriet ihr, dass die Gefahr noch längst nicht gebannt war. Zwei der Piraten hatten sich wieder aufgerappelt und versuchten erneut, Boyd zu Leibe zu rücken. Ein wilder Faustkampf war entbrannt. Alles deutete darauf hin, dass es Boyd gelungen war, sie zu entwaffnen. Es sah aus, als würde Boyd als Sieger aus dem Kampf hervorgehen. Während die Gesichter der Angreifer blutüberströmt waren, hatte Boyd keinen Kratzer davongetragen. Der Freibeuter mit der Kopfverletzung hielt sich noch immer das Ohr und rief etwas in einer fremden Sprache, vermutlich fluchte er. Gleichzeitig griff er nach der Pistole an seinem Gürtel. Wütend genug, um sie zu abzufeuern, sah er auf jeden Fall aus.
Katey erstarrte. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, so überwältigend war ihre Angst – um Boyd. Sie wollte ihm eine Warnung zurufen, wurde sich dann aber gewahr, dass er sie womöglich nicht hörte, weil er sich auf seinen Gegner konzentrierte. Gar nicht auszudenken, was passieren konnte, wenn sie im falschen Moment seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte und seine Gegner eine Chance witterten, ihn zu überwältigen. Sie hob den Stein, den sie noch immer in Händen hielt, in die Höhe. Im letzten Augenblick rief sie sich in Erinnerung, wie schlecht sie zielen konnte. Schnelles Rennen fiel aus. Als am Boden etwas aufblitzte und sie den Blick senkte, ließ sie den Stein neben sich fallen und bückte sich nach der Pistole des Piraten, den sie überwältigt hatte.
Sie glaubte nicht, dass die Waffen in ihrer Hand den Freibeuter dazu bringen konnten, seine Waffe fallen zu lassen oder zu senken. Noch hatte er keinen Schuss abgefeuert, vermutlich, weil seine Kameraden in der Schusslinie standen. Da er nicht in ihre Richtung blickte, hatte er noch gar nicht mitbekommen, dass sie jetzt ebenfalls bewaffnet war. Sie entschied sich dagegen, ihm etwas zuzurufen, sondern entsicherte blitzschnell die Waffe und gab einen Schuss in die Luft ab.
Endlich hatte sie seine Aufmerksamkeit. Und die der anderen. Um ein Haar wäre sie durch den Rückschlag nach hinten umgefallen. Diese vermaledeiten antiken Waffen mit ihrem langen Lauf waren einfach viel zu schwer für sie. Wie jeder andere wusste auch sie, dass sie nur einen Schuss hatte.
Doch wieder war es ihr gelungen, Boyd die Chance einzuräumen, die Gefahr ein wenig einzudämmen. Ihr Schuss hatte ihn nur eine Sekunde lang aus der Konzentration gerissen. Da der wutschnaubende Pirat ihr das Gesicht zugewandt hatte, galt Boyds Interesse jetzt vor allem ihm. Er nutzte die Gunst des Augenblicks, entriss ihm die Waffe und schlug ihm damit auf das
Weitere Kostenlose Bücher