Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
Katey, warum sie das taten. Ein weiteres Schiff war in Sicht gekommen.
Kapitel 40
Es war die Oceanus. Im Gegensatz zu Katey, die wegen der Entfernung und des Winkels, in dem sie die Insel ansteuerte, nicht einmal hätte sagen konnte, ob es ein Dreimaster war, war Boyd sich sofort sicher. Jetzt, wo Rettung in Sicht und die Gefahr vorbei war – das Piratenschiff hatte sich in Windeseile in Bewegung gesetzt –, ließ Katey sich in den Sand fallen und wartete.
Boyd schlug Zeit tot, indem er weitere Seile fertigte und damit die Füße der Piraten verband. Er hatte es darauf abgesehen, dass sie sich nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam befreien konnten.
»Für den Fall, dass ihr Kapitän nicht zurückkommt, um sie zu holen, dürften sie keine größeren Schwierigkeiten haben, sich gegenseitig die Fesseln durchzubeißen. Vermutlich wird er noch vor Einbruch der Dunkelheit zurückkehren, zumal ihm längst klar sein dürfte, dass die Oceanus ihn nicht verfolgt.«
»Sie sind viel zu freundlich zu Menschen, die Sie ohne mit der Wimper zu zucken in einen Sklaven verwandelt hätten.«
»Finden Sie wirklich? Vielleicht wäre es gar keine schlechte Idee, sie mit ihren eigenen Waffen umzubringen. Genug davon hätten wir ja.«
Er meinte es nicht ernst. Andernfalls wäre er längst zur Tat geschritten und hätte sich die Mühe mit dem Seilflechten und Fesseln gespart.
Tief in ihrem Innern wurmte sie seine Nachsichtigkeit jedoch; immerhin hatten die Piraten ihr so manchen Schrecken eingejagt. »Ich verstehe nicht, warum wir sie nicht mitnehmen und den Behörden übergeben.«
»Welche Behörden wären das Ihrer Meinung nach denn?«, entgegnete er. Es war ihm anzusehen, dass er sich größte Mühe gab, sich nicht über ihre offensichtliche Unwissenheit lustig zu machen. »Wir wissen doch gar nicht, woher sie stammen. Es gibt zahlreiche Länder, die an das Mittelmeer grenzen. Es ist durchaus denkbar, dass sie mit Erlaubnis ihres Heimatlandes agieren. In dem Fall würden uns die Behörden ins Gesicht lachen und sie wieder laufen lassen. Ich mache keine Witze. Die Piraten von der Berberküste, die hinter Gittern landen würden, halten sich in der Regel nie so weit nördlich auf. Sie ziehen unbewaffnete Handelsschiffe vor und verfahren immer nach derselben Taktik: schnell entern und noch schnell das Schiff in die eigene Gewalt bringen.«
Als er mit seiner Aufgabe fertig war, setzte er sich neben sie in den Sand, sodass sich ihre Schultern berührten. Sobald ihr einfiel, was sie ein Stück weiter den Strand hinab gefunden hatte, rutschte sie von ihm ab. Er kommentierte ihr Verhalten nicht, was daran liegen mochte, dass er es gar nicht mitbekommen hatte, weil er auf die Oceanus starrte, die mittlerweile nahe genug war, sodass die Mannschaft die Segel einholen konnte.
»Sind Sie bereit? Wir könnten eines der Ruderboote nehmen, mit denen die Piraten gelandet sind«, sagte er und deutete auf die beiden Boote vor ihnen.
»Warum nehmen wir nicht das Boot, mit dem wir auf die Insel gekommen sind?«
Sie warf ihm einen durchdringenden Blick zu. Hatte er gerade gezuckt? Wohl kaum, dazu müsste er ein schlechtes Gewissen haben. Eine bedeutungsschwere Stille breitete sich zwischen ihnen aus.
Katey durchbrach die beklemmende Atmosphäre, indem sie sagte: »Sie hatten vor, es einfach zurückzulassen, habe ich recht?«
»Ich kann das erklären«, würgte er hervor.
»Das glaube ich Ihnen gern. Aber wird es etwas nützen?«
»Dem Klang Ihrer Stimme nach zu urteilen vermutlich nicht«, sagte er mit einem Seufzen.
Sie erhob sich und starrte auf ihn herab. »Haben Sie allen Ernstes gedacht, ich würde nicht wütend werden? Nein, warten Sie. Sie sind davon ausgegangen, ich würde erst gar nicht herausfinden, dass dieser nette kleine Ausflug von Ihnen arrangiert wurde. Habe ich den Nagel auf den Kopf getroffen?«
Als er sich ebenfalls erhob, stand er in defensiver Haltung vor ihr. »Sie sind nicht die Einzige, die ihre Mitmenschen hinter das Licht führen kann, wenn Sie wissen, was ich meine. Sie können sich Ihr wütendes Gehabe sparen, ich habe mir lediglich Ihre Vorgehensweise zu eigen gemacht.«
»Wenn das alles wäre, dessen Sie sich schuldig gemacht haben, wäre es vielleicht nicht so schlimm, aber Sie haben weitaus mehr als nur das getan«, fügte sie mit scharfer Stimme hinzu. »Sie haben mich nass gemacht. Wie haben Sie das hinbekommen? Haben Sie mich ins Wasser getaucht, damit ich den Eindruck gewinne, Sie hätten mich
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