Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
Frau besser kennenzulernen. Hinzu kam, dass er bei Katey ständig über seine eigenen Gefühle stolperte. Sein Verlangen nach ihr war so stark, dass er nicht einmal er selbst sein konnte, wenn sie um ihn herum war. Bis heute. Wenngleich es nur kurz angedauert hatte. Er hätte die Piraten dafür umbringen müssen, weil sie ihm den schönsten Tag in seinem Leben ruiniert hatten.
Kateys Schweigen brachte ihn an den Rand des Wahnsinns. Sie hatte ihm seine Frage nicht beantwortet, was tief blicken ließ. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sie sich wünschte, der Tag wäre niemals geschehen. Ehe sie herausgefunden hatte, dass er ihren kleinen Ausflug arrangiert hatte, hatte er keinerlei Anzeichen für Reue bei ihr entdecken können. Beim Allmächtigen, sie hatte ihn sogar gefragt, ob er auf sie warten würde, bis sie bereit war, in den Hafen der Ehe einzulaufen. Jetzt konnte er sich glücklich schätzen, wenn sie den Rest der Reise nicht in ihrer Kajüte verbrachte oder im nächsten Hafen von Bord ging.
Bei der Oceanus angekommen, erklomm sie so flink die Leiter, dass er überrascht war, sie noch an Deck anzutreffen, als er nach ihr hinaufkletterte. Tyrus war ebenfalls an Deck und wirkte reichlich beschämt. Vermutlich war das der Grund, warum sie noch zugegen war. Sie würde nicht eher gehen, bis er das Ausmaß ihrer Wut zu spüren bekommen hatte.
»Da ist sie, Käpt'n«, rief einer der Matrosen vom Achterdeck. »Wir haben sie doch nicht verloren.«
Wer jetzt glaubte, er spräche von Katey, der irrte. Der Mann hatte gerade erst das Fernrohr heruntergenommen, blickte aber nicht in die Richtung des Piratenschiffs.
»Von welchem Schiff faselt er?«, fragte Boyd Tyrus.
»Ihres«, antwortete Tyrus und deutete hinter Boyd. »Sie haben dieselbe nördliche Mittelmeerroute wie wir genommen. Nachdem sie zu uns aufgeschlossen hatten, sind sie postwendend an Bord gekommen. Ihr Schiff war hinter uns, aber dann haben wir es beim Umrunden der Insel aus den Augen verloren.«
Boyd machte auf dem Absatz kehrt, um zu sehen, von wem Tyrus sprach. Er blieb wie angewurzelt stehen.
An die Reling gelehnt, standen Anthony und James Malory und blickten so undurchdringlich wie eh und je drein. James sah noch genauso aus wie damals, als er einem Leben als Gentleman-Pirat in der Karibik gefrönt hatte und an Bord der Oceanus gegangen war, um ihre Ladung zu stehlen. Das weiße Hemd war lose in die engen Beinkleider gesteckt worden. Sein blondes Haar wehte im Wind, und ein goldener Ohrring blitzte in seinem Ohr auf. Anthony sah tadellos aus wie immer, wenngleich er wegen der Wärme die Ärmel hochgekrempelt hat. Boyd traute seinen Augen nicht. Es wunderte ihn, dass er sie gar nicht gesehen hatte, als er an Bord geklettert war. Es war ihm schleierhaft, was sie hier zu suchen hatten. Dann wurde er kreidebleich.
»Ist etwas mit Georgina?«
»Abgesehen davon, dass sie ein fettes Hühnchen mit dir zu rupfen hat, geht es ihr gut«, sagte James. »Meine Brüder?«
»Keine Ahnung«, antwortete James. »Denen geht es bestimmt prächtig, so wie ich die Burschen kenne.«
Erleichterung machte sich in Boyds Brust breit, und die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück, ehe er die Stirn runzelte. »Aber was macht ihr dann hier?«
Dieses Mal war es Anthony, der antwortete: »Ich bin hier, um Katey abzuholen und dich kaltzumachen.«
Da sich sein Gesichtsausdruck während des Sprechens nicht veränderte, nahm Boyd an, er wollte ihn wie so oft foppen. Katey hingegen straffte sich.
»Ich für meinen Teil hätte nichts dagegen«, sagte sie, an die Malorys gewandt. »Aber vielleicht wäre es besser, Sie würden damit warten, bis er wieder festen Boden unter den Füßen hat. Hier an Bord könnte es ihm sonst gelingen, mit seinem Hang zur Seekrankheit Ihr Mitgefühl zu gewinnen«, fügte sie hinzu, just als das Schiff durch ein Wellental fuhr. »Es dürfte nicht sonderlich angenehm sein, einen Menschen zu töten, wenn er sich erbricht und Sie besudelt.«
Boyd stöhnte lautlos. »Vielen Dank, Katey. Ausgerechnet die beiden, vor denen ich es am allerliebsten geheim gehalten hätte.«
»Gern geschehen«, fauchte sie ihn an. »Mehr habe ich Ihnen zudem nicht zu sagen. Sollten sich unsere Wege je wieder kreuzen, Boyd Anderson, möchte ich Sie bitten, so zu tun, als würden wir uns nicht kennen. Das dürfte Ihnen doch sicherlich nicht schwerfallen, oder?«
Sie stapfte in Richtung Kajüten davon. Alle vier Männer sahen ihr nach. James wartete, bis sie nicht mehr in
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