Malory
lassen: Ihre Haupt-stadt ist einmalig. Welche Art von Zerstreuung du auch suchst, du findest sie, hier in London. Dazu gibt es Laster, von denen unsereins nicht einmal gehört hat.«
»Darf ich daraus schließen, daß du dich heute abend bestens amüsiert hast?« fragte Warren trocken.
»Amüsieren ist gar nicht das treffende Wort. Boyd und ich sind dieser knackigen ...«
»Ich will nichts davon hören, Drew.«
»Aber sie war wirklich außergewöhnlich für den Preis und für das, was sie zu bieten hatte. Und hübsch war sie obendrein, pechschwarzes Haar und blaue Augen. Hat mich an Amy Malory erinnert, obwohl sie natürlich nicht annähernd so attraktiv ist wie unsere Amy.«
»Warum zum Teufel erwähnst du sie?«
Drew zuckte achtlos die Achseln, ohne zu merken, wie sich Warrens Miene hinter seinem Rücken verfinsterte. »Da wir schon von ihr sprechen ...«
»Du sprachst von ihr.«
»Wie auch immer – mir will die Kleine nicht mehr aus dem Kopf, seit ich sie wiedergesehen habe.«
»Dann schlag sie dir aus dem Kopf«, knurrte Warren. »Sie ist zu jung, selbst für dich.«
»Zu jung? Daß ich nicht lache!« entgegnete Drew, der noch immer nicht merkte, welch gefährliches Terrain er da betreten hatte. »Aber sie ist der Typ, den man heiraten muß, und deshalb ist sie nicht mein Typ. Aber trotzdem«, er stieß ein bedau-erndes Seufzen aus, »manchmal wünschte ich fast, ich wäre schon bereit, seßhaft zu werden.«
Jetzt reichte es Warren. »Geh endlich ins Bett! Und wenn du heute nacht schnarchst, ersticke ich dich mit deinem Kissen.«
Drew blickte erstaunt über die Schulter. »Ist dir wieder einmal eine Laus über die Leber gelaufen? Ich bin wirklich ein armes Schwein, das Zimmer ausgerechnet mit dem Familien-muffel teilen zu müssen.«
Nun war das Maß voll, Warren schoß hoch, und Sekunden später landete Drew der Länge nach auf dem Boden. Er lag einen Augenblick lang da, betastete seine Wange, hob dann den Kopf und sah, daß sein Bruder noch immer auf dem Bett saß.
»Das ist es also, was dir gefehlt hat«, sagte Drew, als wäre ihm Warrens üble Laune jetzt völlig verständlich. Lachend rappelte er sich auf. »Also los, ich bin bereit.«
Warren mußte nicht weiter überredet werden. Fünf Minuten später hatten die beiden ihre Zimmerrechnung um den Preis eines zertrümmerten Stuhls und eines gebrochenen Bettge-stells erhöht. Clinton würde nicht gerade begeistert sein, denn Warrens Rauflust war ihm immer schon ein Dorn im Auge gewesen. Drew dagegen lachte nur, war er doch stets bereit, an Warrens Lieblingssport teilzunehmen, und sein blaues Auge war kein Hinderungsgrund, da er nicht wirklich vorhatte, irgendeine von Londons jungen Schönheiten zu verführen.
Warren dagegen hätte mit dem Ergebnis kaum zufriedener sein können. Er hatte seinen Mund absichtlich in die Schlag-richtung von Drews Faust gehalten. Die aufgeplatzte Lippe, mit der er gerechnet hatte, würde in den nächsten Tagen jeden Kußversuch vereiteln. Für den Fall, daß er erneut den Kopf verlieren und Amys Charme erliegen sollte, brächte ihn seine kleine Blessur sofort wieder zur Raison.
Die Anstrengung hatte seinen Zorn vorübergehend so weit besänftigt, daß ihm, als jeder mit seiner Matratze auf den Boden umgezogen war, wieder einfiel, daß Lady Amy ihm die Einlösung eines Versprechens schuldig war. Als Gegenleistung für die Erfüllung ihrer Bitte, sich nicht mit den Banditen anzu-legen. »Alles, was du willst«, hatte sie gesagt. Irgendwie war es ihr gelungen, daß er es eine Zeitlang vergessen hatte, doch jetzt würde er es sich merken. Und damit war sein Problem ein für allemal gelöst.
Kapitel 19
Die Geschäftsverhandlungen der Andersons am nächsten Morgen nahmen weniger Zeit in Anspruch als erwartet; das Büro, das Thomas am Vortag ausfindig gemacht hatte, wurde von allen Brüdern für gut befunden, der Pachtvertrag noch innerhalb der nächsten Stunde unterschrieben. Die drei Räume waren zwar renovierungsbedürftig, doch es handelte sich nur um kleinere Mängel, die ein Schreiner und ein Maler innerhalb von wenigen Tagen beheben konnten. Clinton und Thomas kümmerten sich um die Einrichtung, Boyd machte sich auf die Suche nach Handwerkern.
So hatten Drew und Warren einen freien Tag, doch Warren konnte nicht tun, was er wollte, solange er Drew im Schlepptau hatte. Am liebsten hätte er sich auf der Stelle zum Berkeley Square begeben, um die Sache mit Amy zu regeln, und er überlegte schon, wie er seinen
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