Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Malory

Malory

Titel: Malory Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 04. Wer die Sehnsucht nicht kennt
Vom Netzwerk:
bedrohlich. »Wir wollen verhindern, daß die Kleine verletzt wird Anderson«, sagte er eindringlich. »Hast du mich verstanden?«
    Warren zog den falschen Schluß. »Willst du damit andeuten, daß ich sie heiraten soll?« fragte er entgeistert.
    »Gott behüte, nie im Leben«, beruhigte ihn Anthony, der bei dieser Vorstellung mindestens ebenso entsetzt war. »Doch je eher du fort bist, desto eher wird sie dich natürlich vergessen.«
    Und desto eher würde Warren sie vergessen. »Ich würde nichts lieber tun, doch es geht nicht.«
    Anthony gab es vorübergehend auf und brummte nur:
    »Warum in aller Welt mußtest gerade du in London bleiben?«
    Warren zuckte die Schultern. »Niemand von uns wollte bleiben, und so habe ich mich freiwillig zur Verfügung gestellt.«
    »Warum in drei Teufels Namen?«
    Warren hätte es selbst nicht sagen können. »Ich hielt es im Augenblick der Entscheidung für eine vernünftige Idee.«
    »Du kannst beten, daß dich die Entscheidung nicht noch in deinen Alpträumen verfolgt.«
    Es war diese letzte Bemerkung von Anthony, die Warren auf seinem Rückweg zum Albany verfolgte. Warum hatte er so entschieden? Sein damaliger Entschluß war völlig untypisch für ihn und hatte seine Brüder ziemlich verblüfft. Und nur wenige Minuten zuvor hatte Amy sich ihm eröffnet. Vielleicht hatte er ihr damals nicht geglaubt. Vielleicht aber doch.
    All diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als er im Flur seines Hotels dem chinesischen Kriegsherrn über den Weg lief, den er das letzte Mal in einer zweifelhaften Wettka-schemme gesehen hatte und der Clinton und Warren später zwei Dutzend seiner Lakaien nachgeschickt hatte, um sie umbringen zu lassen. Zhang Yat-sen in London? Unmöglich –
    doch er war es, gekleidet in seine offiziellen seidenen Manda-rin-Gewänder, die er immer auf Reisen und bei Geschäftsverhandlungen trug.
    Warrens Schock ließ nach, und Zhang erschrak ebenfalls aufs heftigste, als er seinen Erzrivalen schließlich erkannte.
    Zhang wollte nach seinem Schwert greifen, doch er trug es nicht bei sich, und so griff er ins Leere. Warren konnte von Glück reden, denn Schwerter waren nicht eben seine Spezialität. Und in Anbetracht der Tatsache, daß Yat-sen immer von seinen mordlustigen Leibwächtern begleitet wurde, hielt Warren es für ratsam, auf schnellstem Weg das Hotel zu verlassen.
    Er würde jemanden schicken, um seine Rechnung zu beglei-chen und sein Gepäck holen zu lassen. Unter keinen Umständen würde er ins Albany zurückkehren, solange dieser verrückte Chinese hier wohnte.
    Er konnte noch immer nicht fassen, daß Zhang Yat-sen in London war. Der Mann verachtete Ausländer, schloß nur Geschäfte mit ihnen ab, wenn diese einen hohen Gewinn versprachen, und wollte sonst nichts mit ihnen zu tun haben. Und jedem Fremden, mit dem er in Verbindung trat, zeigte er deutlich seine Geringschätzung. Warum also hatte er die Abge-schiedenheit seiner kleinen Welt, in der seine Macht grenzenlos war, verlassen und die Strapazen einer Reise nach England auf sich genommen?
    Gewaltige Mengen Geldes mußten ihn hierher gelockt haben – oder eine persönliche Angelegenheit. Und bei aller Bescheidenheit konnte sich Warren des Eindrucks nicht erwehren, daß diese verdammte antike Vase, mit der Clinton und er aus Kanton geflohen waren, der Grund seines Hierseins war.
    Ein Familienstück, hatte Zhang gesagt, als er sie als Einsatz für die Wette anbot, die er mit Warren abgeschlossen hatte.
    Warrens Wetteinsatz war sein Schiff gewesen, und genau darauf hatte es Zhang abgesehen gehabt, der sich sonst niemals in dieses schäbige Wettlokal begeben hätte. Aus zwei Gründen begehrte er Warrens Schiff: zum einen, weil er eine eigene Handelsflotte aufbauen wollte, um nicht länger mit Ausländern verhandeln zu müssen, und zum anderen, weil er eine persönliche Abneigung gegen Warren hatte, der es in seiner Gegenwart stets an dem gebotenen Respekt hatte fehlen lassen. Er hoffte, der Verlust seines Schiffes würde Warrens Reisen nach Kanton ein Ende bereiten.
    Aber Zhang verlor die Vase, und wenn Warren an diesem Abend nicht so hoffnungslos betrunken gewesen wäre, hätte er bemerkt, daß Zhang dieser Verlust überhaupt nicht traf, denn er rechnete fest damit, sie schon am nächsten Morgen wieder in seinem Besitz zu haben – zusammen mit Warrens Kopf.
    Doch er hatte beides nicht bekommen, weil Warrens und Clintons Schiffsmannschaften ihnen nachts an den Docks zu Hilfe gekommen waren. Dafür hatten

Weitere Kostenlose Bücher