Malory
ging.
Nicholas rührte sich nicht von der Stelle. Er spürte, daß ihn eine lächerliche Zufriedenheit überkam, weil sie meinte, sie hätte ihn nun am Hals - und ebenso lachhaft verletzt war er, weil ihr das nicht paßte. Es stand ihm nicht zu, so zu empfinden. Sie waren nicht aufeinander angewiesen, und er tat verdammt gut daran, das zu be-denken.
13.
»Onkel Jason!«
Reggie warf sich in voller Wiedersehensfreude in die ausgebreiteten Arme ihres Onkels. Jason Malory, der Dritte Marquis von Haverston, war ein stämmiger Mann und groß wie auch alle ihre anderen Onkel. Das gefiel ihr.
»Du hast mir gefehlt, Mädchen. Haverston ist nicht dasselbe, wenn du fort bist.«
»Das' sagst du jedesmal, wenn ich nach Hause komme.« Sie lächelte ihn liebevoll an. »Eigentlich wollte ich für einige Zeit nach Hause kommen, ehe all das passiert ist. Ich will es auch immer noch.« Sie sah sich im Salon um und entdeckte Onkel Edward und Onkel Tony.
»Und deinen Bräutigam hier in London allein lassen, damit er sich die Beine in den Bauch steht?«
»Irgendwie glaube ich, daß er gar nichts dagegen hätte«, erwiderte sie leise.
Er führte sie zu dem cremefarbenen Sofa, auf dem Anthony saß. Edward stand am Kamin, wie es seine Gewohnheit war. Wahrscheinlich hatten sie eine Auseinan-dersetzung gehabt, ehe sie gekommen war. Es mußte sich um das bewußte Thema gedreht haben. Niemand hatte ihr auch nur ein Wort davon gesagt, daß Onkel Jason hier war.
»Ich dachte schon, ich hätte keine Zeit mehr, mit dir zu reden, ehe du aus dem Haus gehst«, begann Jason. »Wie gut, daß du so früh aufgestanden bist!«
Reggie zuckte die Achseln. »Ich habe Nicholas gestern warten lassen, als er mich in die Vauxhall Gardens ausgeführt hat, und ich will seine Geduld nicht schon wieder strapazieren.«
Jason setzte sich und sah sie ernst an. »Ich kann nicht direkt behaupten, es würde mir gefallen, daß diese ganze Angelegenheit schon entschieden war, als ich in London ankam. Meine Brüder haben sehr eigenmächtig gehan-delt.«
»Du weißt, daß wir keine andere Wahl hatten, Jason«, verteidigte sich Edward.
»Ein paar Tage mehr oder weniger hätten auch keinen Unterschied gemacht«, gab Jason zurück.
»Willst du damit sagen, daß du uns jetzt, nachdem die Verlobung beschlossen ist, deine Zustimmung verwei-gern willst?« rief Reggie aus.
Anthony kicherte. »Ich habe dich gewarnt, Jason. Sie hat sich diesen jungen Taugenichts in den Kopf gesetzt, und dagegen bist du machtlos.«
»Ist das wahr, Reggie?«
Es war so gewesen, ja, aber. . . Sie war sich jetzt nicht mehr so sicher, nicht nach dem gestrigen Tag. Sie wußte, daß Nicholas sie nach wie vor begehrte. Das hatte er deutlich klargestellt. Und sie begehrte ihn. Weshalb hätte sie sich vormachen sollen, es sei nicht so? Aber eine Heirat?
»Ich mag ihn wirklich sehr gern, Onkel Jason, aber. . .
Ich fürchte, er will mich eigentlich gar nicht heiraten.«
Da. Jetzt hatte sie es ausgesprochen. Warum fühlte sie sich deshalb gleich so kläglich?
»Ich habe gehört, daß er sich vor seinem Einverständnis lange gewehrt hat«, sagte Jason mit sanfter Stimme.
»Aber damit war zu rechnen. Kein junger Mann mag es, wenn man ihn zu etwas zwingt.«
Neue Hoffnung erfüllte sie. War das der einzige Grund?
»Ich hatte vergessen, daß du ihn kennst«, sagte sie,
»und zwar besser als wir alle.«
»Ja, und ich habe den Jungen immer gemocht. An dem ist weit mehr dran als das, war er der Welt freiwillig zeigt.«
»Verschone uns damit, Bruder«, bat Anthony sarka-stisch.
»Er wird ihr ein guter Ehemann sein, Tony, trotz allem, was du von ihm zu glauben scheinst.«
»Glaubst du das wirklich, Onkel Jason?« fragte Reggie, deren Hoffnungen weiterhin stiegen.
»Allerdings«, antwortete er entschieden.
»Dann hälst du es für gut, wenn ich ihn heirate?«
»Ich hätte es vorgezogen, wenn du unter normalen Um-ständen verheiratet worden wärst. Aber da wir nun einmal in diese unselige Lage geraten sind, stört es mich keineswegs, daß dieser Kerl ausgerechnet Nicholas Eden ist, nein, ganz bestimmt nicht.«
Reggie strahlte vor Freude, aber ehe sie noch mehr dazu sagen konnte, eilten ihre Vettern und Kusinen herein. Sie würden alle die Gesellschaft der Hamiltons besuchen, Amy mit ihr und Nicholas, die anderen mit Marshall in seinem eleganten neuen Viersitzer. Während alle fröhlich durcheinanderredeten und Jason von seinen Nichten und Neffen begrüßt wurde, traf Nicholas ein und blieb
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