Malory
Ge-schirrschrank aus Rosenholz, der zartes Porzellan mit Goldrand und einem Blumenmuster in Weiß und Rosa enthielt. Ein Büffett zwischen den Fenstern an der Rück-wand war mit schönen Schnitzereien aus Eiche und Ebenholz verziert.
Hallie trat ein, lächelte strahlend und brachte eine große Platte, die sie auf der Anrichte abstellte. »Guten Morgen, Madam. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Nacht.«
»Ja, wirklich. Ist die Gräfin schon heruntergekommen?«
Reggie wies auf das einzige Gedeck hin.
»Sie ist ausgeritten. So früh am Morgen ißt sie nie etwas, Madam.«
»Ich eigentlich auch nicht. Warum zeigen Sie mir nicht statt dessen den Rest des Hauses?«
»Aber was sollen wir denn mit dem ganzen Essen machen?« fragte Hallie überrascht und hob die Deckel der Schüsseln. Reggie sah Eier, Wurst, Bücklinge, Schinken, Marmelade, Toast und Brötchen und sogar zwei köstliche kleine Törtchen.
»Himmel!« japste Regina. »Das soll ich doch nicht etwa alles aufessen?«
Hallie kicherte. »Die Köchin wollte einen guten Eindruck machen, weil Sie Ihnen doch gestern abend nur noch etwas Kaltes raufgeschickt hat.«
»Dann nehme ich doch einfach das da und eins von denen mit.« Reggie steckte eine fette Wurst in ein Brötchen und nahm eins der Törtchen in die andere Hand. »Und jetzt könnten wir den Rundgang machen.«
»Aber sollte nicht Mrs. Oates...?«
»Ja«, fiel Reggie ihr verschwörerisch ins Wort, »ich glaube auch, daß sie das eigentlich tun sollte. Aber ich kann mir ja später von ihr alles noch mal zeigen lassen. Im Moment möchte ich einfach nur sehen, wie groß Silverley ist, und dabei hätte ich gern angenehme Gesellschaft.«
Hallie kicherte wieder. »Keine von uns kann Mrs. Oates allzu gut leiden, aber sie führt ein strenges Regiment, wie sie immer betont. Ja, dann kommen Sie doch, Eure Lady-schaft. Aber wenn Mrs. Oates uns ertappt...«
»Keine Sorge«, wurde sie von Reggie beruhigt. »Ich denke mir etwas aus, um ihr zu erklären, warum Sie bei mir sind. Ihnen kann sie die Schuld daran nicht geben.«
Das Haus war erstaunlich groß. In der Nähe des Eingangs kamen sie an einem Billardzimmer vorbei, in dem bis auf drei Spieltische nichts anderes stand. Reggie konnte sich schon jetzt kaum noch an die Zimmer erinnern, die sie besichtigt hatte. Alle Räume waren mit Chippendale- und Queen-Anne-Möbeln eingerichtet. Hübsch vergoldete Stuckarbeit schmückte viele der hohen, ge-wölbten Decken. In manchen Zimmern hingen riesige, wunderbar gearbeitete Kronleuchter.
Es gab ein Musikzimmer, in Grün und Weiß gehalten, und rechts neben dem Salon lag ein Vorzimmer mit dek-kenhohen Buntglasfenstern, die den Raum in Farben tauchten und sich wirkungsvoll vom weißen Marmorbo-den abhoben. Die Wände waren von roten Plüschbänken gesäumt.
An der Rückfront des Hauses grenzte das Gewächshaus an den großen Saal für förmliche Dinnereinladungen. An einem Gang, der sich durch den Raum zog, standen Stühle, Sofas und Statuen auf Sockeln. Topfpflanzen flan-kierten die breiten Steinstufen, die zu einem Brunnen in der Mitte des Raumes führten. Überall waren Bäume und Herbstblumen. Reggie tat es leid, daß sie diesen Raum nicht im Sommer gesehen hatte, wenn dieser Garten, ein Bestandteil des Hauses, in voller Blüte gestanden haben mußte.
Im oberen Stockwerk nahmen die herrschaftlichen Suiten die gesamte Rückfront des Hauses ein. Außer den beiden ehelichen Schlafzimmern und dem dazwischenlie-genden Wohnzimmer gab es ein Kinderzimmer sowie die Quartiere für ein Kindermädchen und eine Zofe des Kindermädchens.
Der Rundgang dauerte eine knappe Stunde, und Hallie konnte sich wieder zum Personal gesellen, ehe jemand entdeckte, was sie unternommen hatten. Reggie setzte sich in die Bibliothek, um Lady Miriam zu erwarten.
Sie brauchte sich nicht lange zu gedulden. Die Gräfin kam von ihrem Ausritt zurück und begab sich direkt in die Bibliothek. Sie trug ein dunkelviolettes Reitkostüm und hielt ihre Reitpeitsche noch in der Hand. Nur im ersten Moment wirkte sie überrascht, weil sie den Raum nicht leer vorfand. Dann zog sie ihren Hut und ihre Handschuhe aus, ohne Reggie zu beachten.
So war das also... Zumindest erklärte das, woher Nicholas seinen Hang zur Grobheit hatte.
Reggie nutzte die Gelegenheit, Miriam Eden zu mustern, während sie ignoriert wurde. Für eine Frau von fast fünfzig Jahren hatte sie sich bemerkenswert gut gehalten.
Sie war schlank, gepflegt und jugendlich, ihre Haltung steif und
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