Malory
kein Wort mir ihm gesprochen, und so machte er sich keine großen Hoffnungen, daß sie ihm verziehen hatte, obwohl sie mit den Kindern angereist war.
Eine Bemerkung darüber konnte er sich nicht verkneifen. »Du hast gesagt, du wirst nicht kommen, George.
Was hat deinen Sinneswandel bewirkt?«
Sie ließ ihn auf die Antwort warten, da ein Diener ihnen mit einem ihrer Koffer ins Zimmer gefolgt war, den sie jetzt öffnete, um ihn auszupacken. James schloß rasch die Tür, als er wieder Schritte den Flur entlang-kommen hörte; der nächste Diener würde dies als Zeichen verstehen und davor warten.
Er betrachtete sie eingehend, und das fiel ihm nicht schwer. Sie war eine außergewöhnlich schöne Frau mit schwerem braunem Haar und Augen von der gleichen Farbe. Sie war klein, aber mit angenehm weibli-chen Rundungen versehen; die Geburt der Tochter und der Zwillinge hatte ihre Figur noch verschönt.
Der Anfang ihrer Beziehung war ungewöhnlich, und man kann nicht sagen, daß er im klassischen Sinne um sie geworben hätte. Georgina, die nach Amerika zu-rückkehren wollte, hatte sich auf James’ Schiff als Ka-binenboy verdingt. Natürlich hatte er gewußt, daß sie nicht der junge Bursche war, für den sie sich ausgab, und die Zeit, die er damit verbrachte, sie zu verführen, war herrlich aufregend, wenn auch manchmal sehr entmutigend. Nicht im Traum hatte er damit gerechnet, sich in sie zu verlieben, aber zu seinem großen Er-staunen war es Liebe auf den ersten Blick. Er hatte sich geschworen, niemals zu heiraten, und schon war er in eine Zwickmühle geraten. Wenn er Georgina auf die Dauer für sich behalten wollte, mußte er um ihre Hand anhalten.
Auf angenehme Weise hatten ihre Brüder dieses Problem für ihn gelöst. Nachdem sie ihn ein wenig in die Zange genommen hatten, schleppten sie ihn vor den Traualtar, wofür er ihnen ewig dankbar war. Aber er wäre lieber zur Hölle gefahren, als es ihnen einzu-gestehen.
Einige lose Enden mußten noch verknüpft werden.
Nachdem er sie zum Beispiel zu dem Geständnis bewegt hatte, daß auch sie ihn liebe, führten sie eine wunderbare Ehe. Auch wenn sie durch ihr ungezügeltes amerikanisches Temperament ab und zu aus der Haut fuhr und keine Hemmungen hatte, ihrem Ärger Luft zu machen, hatte er nie Mühe, sie mit seinem Charme zu versöhnen.
Aus diesem Grund war ihm ihre jetzige Verstimmtheit unverständlich, vor allem, weil sie schon so lange an-hielt. Als er nach Haverston abreiste, hatte sie immer noch nicht mit ihm gesprochen und auch nicht mit ihm geschlafen. Und all das nur, weil ihre Tochter einen blumenreichen Ausdruck gebrauchte, der allerdings besser in den Wortschatz eines erwachsenen Mannes gepaßt hätte?
Das war ihre Entschuldigung gewesen, aber er hatte genügend Zeit gehabt, um darüber nachzudenken, ob sie deswegen wirklich so in Wut geraten war. Es sah Georgina nicht ähnlich, wegen Nichtigkeiten so auf-zubrausen. Und ihm Jacquelines Ausdrucksweise vor-zuwerfen, obwohl er nichts dafür konnte ...
»Nun?« drängte er, als sie immer noch schwieg.
Sie antwortete, wenn auch ein wenig steif: »Thomas hat mich überzeugt, daß ich vielleicht etwas überrea-giert habe.«
James seufzte erleichtert auf. »Der einzig Vernünftige von deinen Brüdern. Ich werd’ mich später bei ihm bedanken.«
»Spar dir das. Ich bin immer noch wütend, und du bist der Grund dafür. Und über diesen Punkt möchte ich jetzt lieber nicht diskutieren, James. Ich bin wegen der Kinder hier, denn Jack saß nur maulend herum, als sie hörte, daß Judy schon vor ihr da war.«
»Zum Teufel noch mal, dann hast du mir noch nicht verziehen?«
Statt einer Antwort drehte sie sich um und packte weiter aus. Wie er diesen störrischen Gesichtsausdruck kannte! Auf keinen Fall würde sie jetzt mit ihm über den Grund sprechen, der ihren Zorn erregt hatte. Er war sicher, daß es nichts mit ihrer Tochter zu tun hatte. Aber verdammt gerne hätte er gewußt, was sie ihm zum Vorwurf machte, vor allem, da er nichts getan hatte, was sie ihm vorwerfen konnte.
Und dann bemerkte er, wie sie die Schultern hängen ließ, in seinen Augen ein klares Zeichen, daß sie die Entfremdung zwischen ihnen genauso schwer ertrug wie er. Natürlich war das so. Er wußte, daß sie ihn liebte.
Er machte einen Schritt auf sie zu, beging aber den Fehler, gleichzeitig ihren Namen zu flüstern. »George.«
Der Rücken wurde wieder steif, der Augenblick der Verzweiflung war verflogen. Ihr Starrsinn hatte wieder die
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