Malory
dann?«
»Dann knacke ich das Schloss und wir sehen zu, dass wir hier abhauen.«
»Weißt du denn, wie man das macht?«
Danny schnaubte. »Klar. Und ich hab einen Dietrich dabei.«
Kurz darauf zog sie eine dicke Haarnadel aus ihrem Hut und machte sich an der Tür zu schaffen. Ein Kinderspiel, wie fast alle Schlafzimmertüren.
Schon nach wenigen Augenblicken sagte sie: »Kommen Sie. Wir nehmen den Haupteingang. Sie wissen ja sowieso, dass wir hier waren; also macht es auch nichts, wenn wir die Haustür offen lassen.«
Sie wartete nicht ab, ob Malory ihr folgte. Kaum hatte sie das Zimmer verlassen, flitzte sie los und rannte, ohne auch nur einmal innezuhalten oder sich umzudrehen, bis sie die Bäume erreicht hatte. Erst dann blieb sie stehen, aber nur, um zu verschnaufen und sich zu orientieren. Es dauerte ein Weilchen, bis sie durch das dichte Laub die Lampen der Kutsche entdeckte. In diesem Moment holte Malory sie ein.
Er nahm ihren Arm, um sie den Rest des Weges zur Kutsche zu geleiten. Danny versuchte, ihn abzuschütteln, doch damit erreichte sie nur, dass er ihr den Arm um die Schultern legte. Offenbar traute er ihr nicht und fürchtete, sie würde ihm, nun da sie wohlbehalten aus Heddings’ Haus entkommen waren, die Klunker nicht aushändigen.
Ohne die Bedrohung durch den bewaffneten Bediensteten konnte Danny gar nicht damit umgehen, Malory so nahe zu sein. Zuvor, als sie in Heddings’ Haus die Treppe hinaufgegangen waren, hatte sie seinen Arm um ihre Schultern gelegt, aber außer ihrer Angst nichts dabei empfunden. Nun war das etwas völlig anderes. Sie spürte Malory in voller Größe eng an ihrer Seite, seinen muskulösen Oberschenkel, seine Hüfte und seine starke Brust, spürte, wie perfekt sie unter seinen Arm passte, spürte die Glut, die er ausstrahlte – oder war es ihre eigene? Sie hatte noch vor Augen, wie verdammt gut er aussah, auch wenn sie im dunklen Wald sein Gesicht nicht sehen konnte. Und wie seine aufreizenden blauen Augen in der Kutsche über ihren Körper gewandert waren, als hätte er durch ihre Verkleidung hindurchschauen können!
Wenn er jetzt an Ort und Stelle stehen bliebe und sie an sich zöge, würde sie alles mit sich geschehen lassen, was immer er auch vorhätte. Er blieb stehen ... Dannys Herz begann so laut zu schlagen, dass es in ihren Ohren klopfte. Er würde es tun; er würde seine Lippen auf die ihren pressen. Ihr erster Kuss, und das von dem attrak-tivsten Mann, dem sie je begegnet war. Es würde himmlisch sein; Danny wusste es ganz genau und hielt vor Aufregung zitternd den Atem an.
Malory aber schob sie in die Kutsche – er war nur stehen geblieben, um die Tür zu öffnen.
Danny fühlte sich mehr vor den Kopf gestoßen, als sie sich eingestehen wollte. Schmollend lehnte sie sich auf ihrem Platz zurück und funkelte Malory wütend an, als er sich ihr gegenübersetzte. Mehr als die Hälfte des Zorns in ihrem Blick rührte von dem her, was gerade geschehen oder vielmehr nicht geschehen war – natürlich nur in ihrem Kopf. Das änderte jedoch nichts daran, dass sie verstimmt war. Der ahnungslose Malory würde ihren Blick allerdings nur dem Thema zuschreiben, das sie nun an-sprach. »Das war das Dämlichste, was ich je gesehen hab«, stellte sie fest. »Ihnen ist ja wohl klar, dass wir wegen Ihnen erwischt worden sind! Wenn Sie unbedingt in das Haus wollten, hätten Sie die Ringe ja selber klauen können. Wozu haben Sie mich überhaupt gebraucht, he?«
»Was ist denn passiert?«, fragte Percy, doch niemand beachtete ihn.
»Du warst länger fort als nötig«, erklärte Malory steif.
»Sonst wäre ich nicht hineingegangen.«
»Ich war nicht mal zehn Minuten weg!«
»Das waren dann aber ganz schön lange zehn Minuten. Na, das spielt nun keine Rolle mehr.«
»Wegen Ihnen wären wir beinahe umgelegt worden!
Ich würde nicht sagen, das spielt keine Rolle!«
»Was ist passiert?«, fragte Percy erneut.
»Nichts, das dieser Junge nicht mit Bravour gemeistert hätte«, räumte Malory ein. Und als hätte er ihr nicht gerade mit diesem beiläufigen Kompliment geschmeichelt, fügte er, an Danny gewandt, hinzu: »Lass mal sehen, was du gefunden hast – damit wir wissen, ob sich die ganze Mühe gelohnt hat.«
»Setzen Sie erst mal die Kutsche in Bewegung«, verlangte Danny, ein wenig besänftigt durch Malorys Eingeständnis, dass sie seine Haut gerettet hatte. »Solange wir uns hier in der Nähe rumtreiben, sind wir nicht in Sicherheit.«
»Da hast du Recht«,
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