Malory
lauter Hunger! Also beeilte sie sich weiterzukommen. Einige Male musste sie erneut Fremde nach dem Weg fragen, bis sie endlich am hellen Vormittag vor dem Haus der Malorys stand.
Es war ein verdammtes Herrenhaus! Allein stehend, eingezäunt, ringsum von Rasen, schönen Blumen und Büschen umgeben – das hatte Danny nicht erwartet. Sie wagte nicht, sich einem solchen Haus zu nähern, schon gar nicht nach dem Erlebnis, das sie am Vortag in dem Restaurant gehabt hatte. Daher vergeudete sie noch mehr Zeit, indem sie herumstand und darauf wartete, dass jemand aus dem Haus kam, der wie ein Dienstbote aussah. Endlich erschien eine junge Frau in der Kleidung eines Hausmädchens. Jedenfalls trag sie nicht die elegante Garderobe einer feinen Dame, und so versuchte Danny ihr Glück und sprach die Frau an.
»Guten Tag, Madam. Wohnt hier der Malory, der so gut aussieht?«
»Das ist ja köstlich, Schätzchen«, erwiderte die Frau herzlich. »Die Malorys sehen alle gut aus.«
»Wie viele Lord Malorys gibt es denn?«
»In diesem Haus drei.«
»Mit schwarzen Haaren und ...«
»Nein, hier wohnt der Graf mit seinen beiden Söhnen, aber keiner mit schwarzem Haar. Sie müssen seinen Bruder, Sir Anthony, meinen. Sein Haus ist drüben am Piccadilly. Oder Sie meinen seinen Neffen Jeremy. Diese beiden Lords haben schwarzes Haar.«
»Ich muss dieses Päckchen abliefern«, sagte Danny und klopfte auf das Kistchen ihres Haustiers. Eine bessere Ausrede, um an Malory heranzukommen, fiel ihr nicht ein. »Der Auftrag kam von einem jungen Lord; ungefähr fünfundzwanzig war er.«
»Das muss Jeremy Malory gewesen sein. Der wohnt mit seinem Vater am Berkeley Square.«
Danny wurde rot, weil sie schon wieder lügen musste, um den Weg zu erfragen. »Ich bin neu in der Stadt. Können Sie mir den Weg beschreiben?«
Das konnte die Frau, und es dauerte gar nicht lange, bis Danny den Platz gefunden hatte. Jetzt, am Vormittag, herrschte dort reger Betrieb; viele Leute waren unterwegs, und Kutscher warteten am Bordstein darauf, dass ihre Kundschaft aus den feinen Häusern kam. Daher war es nicht schwer, jemanden zu finden, der sie zu der ge-wünschten Adresse dirigierte. Das Haus war nicht ganz so stattlich wie das erste. Durch ihre Arbeitssuche kannte Danny sich gut genug aus, um hintenherum zum Dienstboteneingang zu gehen.
Heute war jedoch einfach nicht ihr Tag, wie sie allmählich zu fürchten begann. Jeremy Malory wohnte nicht mehr hier; gerade letzte Woche war er in sein eigenes Anwesen drüben an der Park Lane gezogen, ganz in die Nähe seiner Cousine Regina. Als ob sie all die zusätzlichen Informationen interessiert hätten, die das Kü-
chenmädchen bereitwillig ausplauderte, während es auf Teufel komm raus mit ihr zu flirten versuchte.
Noch mehr Wegbeschreibungen, noch mehr laufen.
Verdammt! In ihrem ganzen Leben war Danny noch nicht so elend weit marschiert. Die Straße, die sie endlich erreichte, war allerdings schön; zumindest gefiel sie Danny, weil auf einer Seite ein Park lag, in dem alles in voller Blüte stand. Obwohl sie zeitig in der Straße angekommen war, verstrich eine weitere Stunde, bis sie jemanden gefunden hatte, der sie zum richtigen Haus weisen konnte.
Da Malory gerade erst eingezogen war, wussten die meisten Dienstboten, denen sie auf der Straße begegnete, nicht, in welchem Haus er wohnte.
Nach all diesem Umherirren rechnete Danny nun nicht mehr damit, dass Malory zu Hause sein würde. Bei dem Glück, das sie heute gehabt hatte, würde sie ihn wohl eher morgen antreffen, wenn nicht sogar erst übermorgen. Das bedeutete, weitere ein, zwei Nächte in Parks zu übernachten. Nun ja, wenigstens war einer direkt in der Nähe. Und solange sie ihre Erwartungen nicht zu hoch schraubte, gelang es Danny, ihren Ärger nicht hochkochen zu lassen.
Aber dieser junge Lord konnte sich auf was gefasst machen, wenn – falls – er ihr wieder unter die Augen kam.
Kapitel 11
r war zu Hause! Nicht nur das – Danny wurde sogar E am Haupteingang ins Haus gelassen!
Eine junge Frau in ihrem Alter öffnete ihr die Tür. Sie war ein wenig plump und hatte glanzloses braunes Haar.
Mit kaum einem Blick auf Danny sagte sie nur: »Warten Sie hier, und rühren Sie nichts an, wenn Sie gescheit sind.« Dann verschwand sie über eine Treppe nach oben.
Angespannt wartete Danny und staunte immer noch darüber, dass sie hereingelassen worden war. Sie fuhr sich mit der Hand durch die Lockenmähne, um sich zu vergewissern, dass sie ordentlich
Weitere Kostenlose Bücher