Malory
Es gefällt mir allerdings gar nicht, dass er eines von Dianas Schmuckstücken hatte. Wenn meine Nichte bestohlen wird, ist das für mich, als würde ich selbst bestohlen; das kannst du mir glauben.«
»Nun, wir haben ihn jedenfalls gründlich ausgenom-men, oder vielmehr, unser Dieb hat das getan. Es ist mir gelungen, die Stücke, die wir erkannt haben, ihren rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben. Den Rest haben wir zum nächsten Friedensrichter schicken lassen. Hoffentlich findet der heraus, was wem gehört, damit alle ihren Schmuck zurückbekommen.«
»Wolltest du ihm nicht lieber Heddings persönlich ausliefern?«, fragte James.
»Das konnte ich nicht, ohne zuzugeben, dass wir den Schmuck bei einem Einbruch in sein Haus gefunden haben.«
James hüstelte. »Sehr richtig. Ich schätze, sie hätten schon wissen wollen, wo ihr die geklauten Klunker her-habt. Na ja, vielleicht sieht Heddings seinen Fehler ein und stiehlt nicht mehr, nun da er weiß, dass ihm jemand auf der Spur ist.«
»Das weiß er ja gar nicht. Wahrscheinlich glaubt er, ein gewöhnlicher Dieb hätte ihn ausgeraubt; durch den Einbruch wird sich also nichts ändern. Ich glaube kaum, dass er sich denkt, der Dieb könnte eines der Schmuckstücke wiedererkennen oder auch nur wissen, dass seine Beute bereits gestohlene Juwelen waren.«
James seufzte. »Also muss ich den Kerl wohl umlegen, um sicherzugehen, dass er keinen meiner Angehörigen mehr bestiehlt.«
Nun hüstelte Jeremy. »Du brauchst dich gar nicht darum zu kümmern. Ich gedenke, den Knaben im Auge zu behalten. Wenn ich herausgefunden habe, wo er vor-zugsweise verkehrt, werde ich ebenfalls regelmäßig dort hingehen. Ich weiß nicht genau, wie er beim Stehlen vorgeht, doch ich habe vor, ihn in flagranti zu erwischen.
Dann dürfte es kein Problem sein, ihn anzuzeigen.«
James schwieg einen Augenblick. Seine folgenden Worte zeigten, dass er das Thema vorläufig auf Eis legte.
»Übrigens, wie hast du es arrangiert, die Schwester deines Diebs einzustellen, wenn du nicht noch einmal in jene Räuberhöhle gegangen bist?«
Jeremy wünschte sich wirklich, er könnte seinen Vater ein einziges Mal anlügen. Doch das hatte er noch nie getan, und er würde auch jetzt nicht damit anfangen.
»Mein neues Dienstmädchen ist unser Dieb. Und ich musste sie nicht wiederfinden; sie ist zu mir gekommen, da ich schuld daran war, dass sie aus ihrer Bande hinausgeworfen wurde.«
James zog eine Augenbraue hoch. »Ich nehme an, davon weiß dein Kumpel Percy nichts?«
»Nein. Sie hat sich als Junge verkleidet, offenbar fast ihr ganzes Leben lang. Percy hat nie die Frau in ihr gesehen; als er ihr gestern Abend wiederbegegnete, hat er daher gedacht, wir hätten es zuvor mit ihrem Zwillingsbru-der zu tun gehabt.«
»Verstehe. Verdammt, nein – ich verstehe nicht. Du hast in deinem Haus eine Diebin eingestellt?«
Jeremy zuckte zusammen, da sein Vater laut wurde. »An diesem Mädchen ist nichts Gewöhnliches. Hast du dir ihr Gesicht genau angesehen? Es ist so fein geschnitten, sie könnte eine Prinzessin sein! Sie redet wie ein Gassenjunge, aber das ist kein Wunder, da sie ja auf der Straße aufgewachsen ist. Allerdings ist sie eine Waise. Sie hat keine Ahnung, woher sie stammt, ja sie kennt nicht einmal ihren Geburtsnamen. Aber sie möchte ein besserer Mensch werden. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie das schafft; sie ist nämlich blitzgescheit. Schon in den wenigen Tagen, seit sie hier ist, hat sich ihre Ausdrucksweise verbessert. Sie hat mich ausfindig gemacht, weil sie mir die Schuld daran gibt, dass sie ihr Zuhause verloren hat.«
»War es denn deine Schuld?«
»Im Prinzip ja. Ich habe ihr nicht gerade die Wahl gelassen, ob sie in jener Nacht mit uns kommen wollte. In ihrer kleinen Bande von Taschendieben musste jeder sich an bestimmte Regeln halten, und sie hat gegen eine ganze Reihe davon verstoßen, indem sie uns geholfen hat.«
»Also hast du sie eingestellt, weil du dich in ihrer Schuld fühlst?«, fragte James.
»Natürlich nicht«, entgegnete Jeremy und fügte errö-
tend hinzu: »Ich habe sie eingestellt, weil sie mir keine Wahl gelassen hat. Sie hat gedroht, zu Heddings zu rennen und ihm alles zu verraten.«
James runzelte die Stirn. »Verstehe ich dich recht –
anstatt für ihr Schweigen Geld von dir zu erpressen, verlangt sie, dass du sie arbeiten lässt? Ich dachte, sie wäre so gescheit?«
»Ist sie auch. Eine anständige Arbeit gehört zu ihrem Plan, ein besserer Mensch zu
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