Malory
liegen, dass er nie einen Grund gehabt hatte, eine Ehe ernsthaft in Betracht zu ziehen.
Diesen Grund konnte sie ihm liefern, wenn sie damit aufhörte, ihn mit jedem weiteren Wort, das aus ihrem Mund kam, von sich wegzustoßen. Zunächst jedoch musste sie seinen Le-benswandel ändern. Eine Braut in jedem Hafen. Diese Rede-wendung war sehr – ärgerlich. Wenn sie nicht gerade auf der Suche nach einem Ehemann wäre, hätte er sicher versucht, sie zur Braut in seinem englischen Hafen zu machen. Das hatte sein empörendes Angebot, die Nacht mit ihm zu verbringen, durchblicken lassen.
Diese Gedanken verfolgten sie den Rest des Morgens bis in den Nachmittag hinein. Heute Abend wollten sie ins Theater gehen, doch das lenkte sie auch nicht ab. Das Stück war neu, deshalb würde sogar James mitkommen. Das bedeutete, Drew musste sie und Georgina nicht begleiten. Gabrielle war nicht sicher, ob sie ihn an dem Tag überhaupt zu Gesicht bekommen würde, dabei hätte sie gern herausgefunden, ob es irgendwie möglich war, die Missverständnisse auszuräumen, die sich zwischen ihnen aufgetürmt hatten.
Sie war richtig erleichtert, als am Nachmittag Richard auftauchte, um nach ihr zu schauen, nicht nur weil sie sich freute, ihn zu sehen, sondern auch weil sie sicher war, dass er sie von Drew ablenken würde. Und das gelang ihm schon allein durch seinen Aufzug. Gabrielle erkannte ihn kaum wieder!
»Sieh mal einer an!«, rief sie, als sie die Treppe zur Eingangshalle herunterkam und ihn fest in den Arm nahm.
Richard war so schick angezogen, dass er mit jedem jungen Lord hätte mithalten können. Selbst sein schwarzes Haar hatte er geschnitten, oder zumindest sah es so aus, bis er den Hut abnahm und sein Zopf ihm auf den Rücken fiel.
»Du warst einkaufen«, fuhr sie fort.
»Einer von uns musste es ja tun, wenn wir weiterhin in diesen Teil der Stadt kommen wollen, um nach dir zu sehen, und Ohr hat sich geweigert, auch nur in die Nähe eines Anzugs zu gehen. Also, hast du schon einen Ehemann für uns gefunden?«
Gabrielle lachte. »Für uns?«
»Nun, wir haben ein berechtigtes Interesse daran, oder et-wa nicht? Falls du deinen Ehemann schon gefunden hast, wenn Nathan eintrifft, können wir direkt nach der Hochzeit wieder nach Hause fahren, und eins sag ich dir – je weniger Zeit ich hier verbringe desto besser.«
Gabrielle hob fragend eine Braue, doch Richard befasste sich gleich mit dem nächsten Thema, so als hätte er nicht gerade zugegeben, dass es ihn nervös machte, wieder in England zu sein. Sie fragte sich, ob sie je herausfinden würde, wovor er weglief.
»Bist du schon bei deinem Anwalt gewesen?«, wollte er wissen.
»Nein, aber ich habe einen Termin für morgen.«
Ein Diener kam in die Halle herunter. Gabrielle nahm Richard am Arm und führte ihn durch die Hintertür in den gro-
ßen Garten an der Rückseite des Hauses. Sie glaubte, dort würden sie ungestört sein, doch sie sah gleich, dass ihnen bereits jemand zuvorgekommen war.
»Wunderbar«, sagte Richard, »ich hatte gehofft, sie hier zu treffen.«
»Wen?«
»Lady Malory«, antwortete er.
Gabrielle folgte seinem Blick zu einem Brunnen, auf dessen Rand Georgina saß, während sie versuchte, ein Buch zu lesen und gleichzeitig ein Auge auf Gilbert und Adam zu haben, die zwei kleineren Kinder, die bei ihr waren. Die quirligen Kerlchen ließen ihr nicht viel Zeit zum Lesen.
Gabrielle war den Zwillingen und ihrer Gouvernante erst gestern vorgestellt worden. Sie wusste nicht, warum das Kin-dermädchen heute nicht da war; vielleicht hatte die Herrin des Hauses nur etwas Zeit allein mit ihren Kindern verbringen wollen.
Doch schon einen Augenblick später fiel ihr die Eifersucht wieder ein, die Richard bei ihrer Ankunft in James Malory geweckt hatte. Sie schaute Richard an und fragte sich, ob sie ihn auslachen oder ausschimpfen sollte.
Schließlich sagte sie: »Richard, sie ist eine verheiratete Frau.«
»Ja, aber schau dir mal an, mit wem sie verheiratet ist«, entgegnete er. »Sie kann doch mit so einem Rohling nicht wirklich glücklich sein. Meinst du nicht auch?«
Gewiss, war Gabrielles erster Gedanke, sie hatte jedoch auch gesehen, wie das Paar miteinander umging. Und während Richard, der das ebenfalls erlebt hatte, wohl nicht zwischen den Zeilen gelesen hatte, war ihr einiges klar geworden.
Abgesehen davon, dass zwischen den beiden eine große körperliche Anziehungskraft bestand, hatte Gabrielle auch die gefühlsmäßige Nähe zwischen ihnen gespürt
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