Malory
blieb nicht genug Zeit, Vorkehrungen zu treffen. Die Tür wurde praktisch in dem Moment geöffnet, in dem Drew seine Warnung ausgesprochen hatte. Im Türrahmen stand der attraktive Pirat, den Gabby am Nachmittag zu küssen versucht hatte. Leider war er nicht allein. Der große Chinese, den Gabby anscheinend sehr gern mochte, und noch zwei weitere Männer waren bei ihm. Einer von ihnen musste mitbekommen haben, was passiert war, oder irgendjemand hatte zufällig das Loch in der Wand entdeckt und war geistesgegenwärtig genug gewesen, Verstärkung mitzubringen.
Es war ein äußerst gefährlicher Augenblick. Die vier gerade hereingekommenen Piraten waren bewaffnet und alle vier Pistolen zeigten direkt auf Timothys Brust.
Drew fürchtete, dies könnte einer jener Momente sein, in denen sein erster Offizier nicht ruhig bleiben würde. Er konnte spüren, wie angespannt und wütend Tim war, weil er das, was er sich vorgenommen hatte, nicht zu Ende führen konnte.
Und es wäre nicht das erste Mal, dass dieser Koloss gegen jede Vernunft handelte. Wahrscheinlich war er viel zu wütend, um die verdammten Pistolen überhaupt zu bemerken.
Plötzlich sprang Gabrielle aus dem Bett. In eine Decke gewickelt stellte sie sich mitten zwischen die beiden Parteien.
Und auch sie sprühte vor Zorn.
»Ich habe für einen Tag verdammt noch mal genug Aufregung gehabt, meine Herren«, schnauzte sie. »Also werdet ihr alle die Lage überdenken und zu dem Schluss kommen, dass Schlaf im Moment wesentlich erstrebenswerter ist als Blutver-gießen.«
Drew stieß die Luft aus, die er, ohne es zu bemerken, angehalten hatte. Es passte ihm allerdings gar nicht, dass er gegen-
über dieser Dame auf einmal Dankbarkeit empfand. Er musste jedoch eingestehen, dass sie sehr schnell reagiert und gleich erkannt hatte, dass Timothy die Männer nicht über sie hinweg angreifen würde. Der riesige Kerl hatte keinerlei Probleme damit, ein Dutzend Männerköpfe aneinander zu schlagen, doch einer Frau hätte er nie auch nur ein Haar gekrümmt. Gabrielle hatte fest geschlafen, es fiel ihr aber offenbar nicht schwer, auf der Stelle hellwach zu sein und die richtigen Entscheidungen zu treffen.
»Verdammte Seeräuberinnen«, brummelte Timothy leise.
Da wusste Drew, dass die Gefahr vorüber war.
»Jetzt reicht es mir aber mit Ihnen, Mr. Sawyer«, schimpfte Gabrielle. »Ist Ihr Leben Ihnen wirklich so wenig wert, dass Sie es geradezu darauf anlegen, erschossen zu werden?«
»Habe ich das getan?«, fragte Timothy mit verlegenem Au-genaufschlag. »Dann entschuldige ich mich.«
Gabrielle schnalzte verächtlich mit der Zunge, warf jedoch einen Blick über die Schulter, um ihren Männern zu sagen:
»Bringt ihn zurück ...«
»Wohin zurück, chérie?«, unterbrach Richard sie. »In der Kabine, in der er war, klafft ein Loch neben der Tür.«
»Er ist tatsächlich durch die Wand gegangen?«, fragte Gabby ungläubig. Dann schaute sie sich seufzend wieder zu Timothy um und fixierte ihn mit einem tadelnden Blick. »Sie sind eine echte Plage, Mann. Was soll ich nur mit Ihnen anfangen?«
Ungläubig hörte Drew, wie Timothy betreten sagte: »Ich werde Ihnen keine Schwierigkeiten mehr machen, Miss.«
Drew stöhnte. Kaum wurde er von einer hübschen Frau gescholten, gab dieser Kerl klein bei!
Doch Gabby war noch nicht fertig. »Geben Sie mir Ihr Wort darauf.«
Diesmal sah Timothy sie nur stumm an. Vielleicht überlegte er, ob man ein Versprechen, das man einer Piratin gab, halten musste.
Gabby war jedoch zu verärgert, um ihm lange Zeit zum Grübeln zu lassen. Sie kommentierte sein ausgedehntes Schweigen mit den Worten: »Ich betrachte das als nein«, und marschierte zum Tisch neben der Koje, um Drews Pistole zu holen.
Da die Frau ihn schon einmal getäuscht hatte, indem sie den Eindruck zu erwecken versuchte, sie sei keine Piratin, obwohl er doch nun wusste, dass sie eine war, hatte Drew nicht die geringste Ahnung, wozu sie fähig war. Womöglich erschoss sie Tim einfach, damit er sie nicht länger »plagen«
konnte, wie sie es ausgedrückt hatte.
Deswegen zischte er seinem Freund zu: »Gib ihr eine Antwort, verdammt noch mal!«
Gabrielle hörte das zwar, sagte aber nichts dazu und schaute weiter finster drein. Sie bemerkte lediglich: »Bei Ihrer Un-entschiedenheit wird keiner von uns in die Koje kommen.
Wollen Sie mir wenigstens Ihr Wort geben, dass Sie heute Nacht keinen Ärger mehr machen werden, damit wir alle noch etwas schlafen können?«
»Das kann ich
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