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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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einschneidender Moment bevor.
    Nach einem tränenreichen Abschied in Wamba fuhren wir dann am nächsten Tag über die Holperpiste nach Archer’s Post. Der Wagen schaukelte uns über die zerklüftete, steinige Strecke durch die Hügel und reich bewaldeten Berge rund um den Mount Warges bis in das ausgetrocknete Buschland der Halbwüste. Bei dem Lärm sprachen wir kaum. Ich schaute gedankenversunken aus dem Fenster hinaus und trauerte meiner Heimat nach. Mein frisch Angetrauter saß still neben mir. Er gab nicht viel von sich preis. Vielleicht hatte ich ihn aber auch eingeschüchtert. Mit Sicherheit hatte er noch nie zuvor eine so selbstbewusste junge Samburu-Frau kennengelernt. Ich erfuhr jedenfalls nicht viel über seine Familie, und das machte mir Sorgen. Während ich meinen Gedanken nachhing, rumpelte das Auto über die Schlaglöcher der Wellblech-Schotterpiste
bis nach Archer’s Post. Endlich kamen wir dort an. Ich staunte. Auf den windschiefen Hütten lag eine feine Staubschicht. Hier war alles viel trockener als in Wamba, das vor dem Bergmassiv in dichtes Grasland eingebettet liegt.
    Wir waren völlig durchgeschüttelt, als wir am späten Nachmittag in der Einöde eines staubtrockenen Feldes, über das der Wind blies, aus dem Auto stiegen. Hier in Daba, dem Heimatort meines Mannes, der ein Stück östlich von Archer’s Post liegt, würde ich nun seine Eltern kennenlernen. Die Tradition verlangte, dass ich mich vor ihrer Hütte auf eine Bank setzte und sie um Einlass in ihre Manyatta bat.
    Eigentlich hätte mich seine Mutter mit einer Kuh und einem Betttuch begrüßen müssen, aber das tat sie nicht. Die Stiefmutter meines Mannes, die Zweitfrau seines Vaters, nahm mich schließlich in Empfang. Sie gab sich zwar alle erdenkliche Mühe, mich willkommen zu heißen und sich nichts anmerken zu lassen, aber ich spürte trotzdem, dass etwas nicht stimmte. Auch mein Mann verlor für einen kurzen Moment die Fassung, wirkte sichtlich irritiert, machte dann aber gute Miene zum bösen Spiel. Er hielt meine Hand ganz fest. Er sprach nie über die Missachtung, die mir seine Mutter hier entgegengebracht hatte. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich noch, dass er mich einfach nur schützen wollte. Erst viel später sollte ich begreifen, dass ihm einfach nur der Mut fehlte, gegen seine Eltern aufzubegehren.
    Um die Stimmung nicht zu verderben, hielt ich meinen Mund. Ich schluckte meine Enttäuschung herunter und verlor kein Wort über die Demütigung. Ich wollte meine Hochzeit nicht trüben. Sie sollte perfekt sein für mich und meinen Mann, dessen ruhige, besonnene Art ich angenehm fand. Doch auch wenn ich darüber hinwegging, empfand ich die Zurückweisung als böses Omen und mir wurde schmerzlich bewusst, dass ich hier draußen keinen hatte, mit dem ich hätte reden können. Also begrub ich den Schmerz tief in meinem
Herzen. Ich wollte stark sein und meiner Familie keine Schande machen. Dennoch fühlte ich mich gekränkt und mir war sofort klar, dass mich meine Schwiegereltern ablehnten. Andere Samburu-Mädchen wurden an ihrem Hochzeitstag freudig von den Eltern ihres Mannes begrüßt, ich dagegen buhlte jahrelang um ihre Gunst und prallte doch immer wieder an einer Wand des Misstrauens ab, bis ich schließlich viele Jahre später aufgab. Vielleicht war ich ihnen zu selbstbewusst. Vielleicht hatten sie sich ein jüngeres Mädchen für ihren Sohn gewünscht. Ich werde es nie erfahren. Fest steht: Sie haben mich nie in ihr Herz geschlossen. Eigentlich habe ich von Anfang an gespürt, dass sie sich gegen mich verschworen hatten, doch in jenen Tagen als Frischvermählte hätte ich mir nie träumen lassen, dass sie auch noch versuchen würden, ihren Sohn gegen mich aufzuhetzen.
    Auch wenn das Leben bei meinen Schwiegereltern hart war, so konnte zunächst nichts und niemand unserer Beziehung etwas anhaben. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass wir in Archer’s Post leben würden, doch die erste Zeit blieben mein Mann und ich bei seinen Eltern auf dem Land. In der Abgeschiedenheit der Manyatta führten wir ein karges, einsames Leben, das noch dazu erschwert wurde, weil bewaffnete somalische Shifta-Banden und verfeindete Borana-Viehdiebe ihr Unwesen in der Umgebung von Daba trieben. Seit den Siebzigerjahren wilderten sie in dieser Gegend und machten Jagd auf Elefanten, Rhinozerosse und das Vieh der Samburus. Die Somalis waren der Überzeugung, dass sie Anspruch auf einen Teil des Landes hatten, da hier früher Somalis gelebt hätten.

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