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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Gruber
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bis eiserner Disziplin in uns hineinzupressen versuchte, was ihr bei den meisten ihrer Schüler auch gelang. Denn halfen Schimpfwörter und stundenlanges Ausfragen nicht, griff sie ab und zu (leider viel zu selten) zu der ungewöhnlichen Methode, uns mit italienischem Essen gefügig zu machen. Ja, tatsächlich: Es gab damals noch Lehrer, die ihre Schüler zu sich nach Hause zum Essen einluden. Und ihre Leibesfülle versprach, was ihre Kochkunst hielt: Sie war eine wunderbare Köchin und eine gesellige und großzügige Gastgeberin. Auch wenn im Juni noch der natürlich völlig kahle, aber immer noch dekorierte Christbaum in ihrer Wohnung stand. Als sie unsere etwas schockierten Blicke sah, meinte sie nur lapidar: »Da brauchts euch nicht dran stören, Kinder, da bin ich noch nicht dazugekommen.« Man muss eben im Leben Prioritäten setzen: Und was ist schon das Abdekorieren eines abgenadelten Christbaums gegen eine köstliche selbst gemachte Lasagne.
    Entgegen der landläufigen Meinung vieler Eltern heutzutage, dass Lehrer nur den Karriereweg ihrer hochbegabten Kinder torpedieren möchten, hatte ich bei den meisten meiner Lehrer diesen Eindruck nie: Unsere Lehrerin war die geduldigste aller Englischlehrer, die selbst dann nicht aus der Fassung zu bringen war, als eine Mitschülerin einmal ein Referat über die unfaire Einwandererpolitik der USA halten sollte und dabei den guten alten Elvis-Song »Return to Sender« als Beleg anführte. Unsere allererste Französischlehrerin hatte selbst etwas sehr Pariserisch-Bohemienhaftes, und beim Sprechen flatterten ihre Hände immer irgendwo in der Luft, sodass unser Klassenzimmer fast zu einem Pariser Bistro wurde. Unser Deutschlehrer war von uns Schülern respektiert bis gefürchtet, aber seine Begeisterungsfähigkeit für Lyrik und Prosa übertrug sich selbst auf Fernsehjunkies wie uns. Und dass es Schulen gibt, die jemanden wie unseren Kunstlehrer, der genauso hieß wie das berühmteste aller Bücher, einstellen, stimmt mich bis heute hocherfreut. Einen Mann, der in abgerockten Klamotten plus schmuddeligem Malerkittel und Zottelhaaren im Klassenzimmer stand und uns unsere eigene Gossensprache um die Ohren haute, aber auch nach Jahren noch zu jedem Klassentreffen erschien.
    Und ich war geradezu hingerissen, um nicht zu sagen ein bisserl verliebt in meinen ersten Erdkundelehrer, Lorenz Hilburger. Einen Mann wie ihn hatte ich noch nie gesehen, außer im Film. Herr Hilburger trug immer Anzug und Krawatte, dazu einen äußerst penibel gepflegten Vollbart. Aber sein auffälligstes Accessoire war die große Duftwolke, die ihn umgab. Vielleicht ist man als Kind vom Bauernhof für ausgefallene Düfte noch anfälliger. Ich jedenfalls war immer wie paralysiert, wenn ich Herrn Hilburger schon riechen konnte, bevor er überhaupt das Klassenzimmer betreten hatte. Und da ich damals in der ersten Reihe saß, war der Unterricht vor allem olfaktorisch eines der einschneidendsten Erlebnisse meiner Schulzeit. Jedes Mal, wenn Herr Hilburger uns durch Zusammenschlagen der Handflächen fragte, ob wir seine Ausführungen kapiert hätten, befand ich mich in einer Dunstglocke aus Moschus, Amber und Ingredienzien, die mir bis dato fremd waren. Auf dem Land fuhren die Männer dufttechnisch eher auf der Schiene Tabac Original oder Sir Irisch Moos, aber Herr Hilburger war zu weltmännisch für solch schnöde Wässerchen. Meine innige Zuneigung hatte er endgültig erlangt, als er beim Schulfasching – das muss in der siebten Klasse gewesen sein – mit mir zu »Skandal im Sperrbezirk« von der Spider Murphy Gang tanzte. Ich weiß nicht mehr genau, als was ich verkleidet war, vermute aber, dass ich im Zweifel etwas Dirndlartiges anhatte, was ich mit Glitzerhaarspray und viel zu viel Make-up zu etwas wie einer Transvestiten-Rosenresli aufgepeppt hatte. Aber was Herr Hilburger trug, werde ich nicht vergessen, solange ich lebe: einen hautengen schwarzen Lederanzug, der Catwoman vor Neid hätte erblassen lassen, vorn mit Reißverschluss, der fast bis zum Bauchnabel offen war und sein Brusthaar entblößte. Er tanzte wild um mich herum und schwang dabei Tom-Jones-mäßig seine Hüften. Ich war im Himmel! Seit diesem Tag weiß ich, dass man mir zwei Dinge nie mehr wegnehmen kann: mein großes Latinum und mein Faible für Brusthaar.

Paps
    Mein Vater redet gern. Gut, das wird jetzt viele von Ihnen nicht so arg überraschen. Aber mein Vater redet am liebsten mit Menschen, die er nicht kennt. Das heißt, er liebt

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