Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
So froh war’s, die Tante Lisbeth, dass mir rechtzeitig alles kauft ham!«
Eine gestandene bayerische Frau muss eben immer gewappnet sein für die Stürme des Lebens. Vor allem natürlich optisch. Ob bei Beerdigungen oder Hochzeiten, Kindergartenfesten oder Fahnenweihen, ob in der Kirche oder beim Gang zum Zahnarzt: Es ist immer wichtig, dass man »sauber beinand« ist, was so viel heißt wie immer dem Anlass passend und ordentlich gekleidet zu sein. Meine Oma mütterlicherseits ging zum Beispiel immer mit Hut in die Kirche. Vielleicht behielt sie auch den Huttick deshalb bei, weil der damalige Pfarrer Ellinger, der der Meinung war, dass man nur als ordentlich angezogenes Schäfchen dem Herrgott gebührend Respekt erweisen konnte, meine Oma immer lobte, dass sie einen Hut und kein einfaches buntes Kopftuch trug, wie es damals auf dem Land üblich war. Als Kind fand ich diese weich geschwungenen Gebilde in Dunkelblau, Schwarz oder manchmal ins Taupefarbene changierend sehr faszinierend: Es gab Strohhüte für den Sommer, die fast durchsichtig und auf einer Seite mit Blüten verziert waren, die so schräg sitzen mussten, dass man nur ein Auge der Trägerin sehen konnte. Und die Modelle für Herbst und Winter aus samtig schimmerndem Wollmaterial oder Alpaka, die mit Rips- oder Seidenbändern und grünlich schimmernden Federn verziert waren. Ich fand es immer erstaunlich, dass eine Frau, die einen eleganten Hut trägt – ob nun Bäuerin oder Schauspielerin – sofort die Aura eines UFA -Stars umweht. Wir Kinder durften allerdings nicht ein einziges Mal einen der Hüte von der Oma Leni anfassen, denn sie hatte geradezu panische Angst, dass wir mit unseren ständig dreck- oder schokoladeverschmierten »Pratzn« Flecken auf dem kunstvollen Gebilde hinterlassen würden und dadurch – was noch viel schlimmer wäre – die Motten in ihren Schrank hineinlocken und somit ihre kleine, aber elegante Hutsammlung mitsamt dem Fuchskragen für kalte Wintertage ruinieren würden.
Meine Oma musste als alleinstehende Bäuerin mit erst sechs und später vier Kindern mit ihrem Geld sehr haushalten, und das auf dem Hof erwirtschaftete Geld wurde sofort wieder in den Hof investiert: Vom Milch- oder Stiergeld wurden Saatgut, Dünger und Jungtiere gekauft. Die finanzielle Situation wurde nach dem Krieg noch enger, als sie auch noch ukrainische Vertriebene, die in ihren Stall einquartiert wurden, und eine Münchner Familie, die durch die Bombenangriffe ihre Wohnung verloren hatte und bei ihr und den Kindern zusammen mit Mägden und Knechten im Haus wohnten, durchfüttern musste. Freilich, die Münchner halfen meiner Oma bei der Wäsche, in der Küche und auch auf dem Feld, weil in der Nachkriegszeit das Wort »Zusammenhalt« noch mehr bedeutete, als dass man auf der »Wiesn« am Biertisch gemeinsam schunkelt und sich eine Maß teilt, aber meine Oma hatte nie viel Geld auf der hohen Kante, und so etwas wie Taschengeld für ihre Kinder war undenkbar. Meine Mutter hat einmal ein kleines Ferkel, das von der Muttersau verstoßen wurde, mit der Flasche aufgezogen, was zur Folge hatte, dass ihr das Ferkel »Hutschgaggerl«, selbst als es schon eine riesige Sau war, wie ein Hund auf Schritt und Tritt hinterherlief. Meine Oma meinte damals: »Wenn das Hutschgaggerl amal verkauft wird, dann kriegst du das Geld.«
Aber dieses Geld hat meine Mutter natürlich nie gesehen, weil es wieder verwendet worden war, um die Löhne für Knechte und Mägde oder Reparaturen beim Schmied zu bezahlen.
Trotzdem konnte meine Oma ab und an etwas Geld abzweigen, für das sie meist ein paar Bahnen Stoff kaufte, um für ihre Töchter Kleider bei der Schneiderin im Nachbardorf nähen zu lassen. Und mit viel Glück blieb auch noch etwas Geld für die passenden Schuhe übrig, die sich meine Mutter oft mit ihrer Schwester Otti im Doppelpack kaufte, passend zum gleichen Kleid von der Schneiderin, der Kath’, sodass beide wie das doppelte Lottchen am Samstag zum Tanzen gingen.
Noch im hohen Alter hat meine Oma immer gern Modezeitschriften mit mir durchgeblättert, und wenn sie oft sonntags bei uns zum Kaffee zu Besuch war, dann wurden alle prominenten Frauen in der BUNTE auf ihren modischen Geschmack und ihre Stilsicherheit hin durchgehechelt. Omas Favoriten waren immer Königin Silvia von Schweden und Karin Stoiber, denn »die hod immer was von ESCADA an, und da war noch nie a Glump dabei, die Gwander san alle schee!« (Sie meinte, dass Karin Stoiber bei der Auswahl ihrer
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